Sonntag, 23. Oktober 2016

August 1982 und Ernst Jünger statt Goethe



Geschrieben 8/82

"Wenn vom Haß besoffene alte Leute an die Macht kommen, hat die Moral nichts mehr zu melden..." Es ging um Reagan und Cohumeini.
2016 an den Rand der Betrachtung geschrieben: "Es gibt solche Erfahrungen. Aber insgesamt trifft etwas mehr Versöhnung die Sache eher."
Eine harte Anmerkung, der FR als Annonce eingeschickt, wurde nicht angenommen.
2016 sage ich mir: Der Mann, die Frau hatte Recht.
Das Gedicht Karl Kraus "Weg damit" als bemerkenswertes Gedicht aufgenommen.
Unverändert gültig 1982 und 2016. Verschulden einer paktierenden Elite.
Anmerkung zur Diskussion des Namens Corpus Christi für ein Atom-U-Boot.
2016 dazu: In ihrem Pathos zu aufgeblasen, dadurch ein fanatischer Zungenschlag gegen den Menschen überhaupt.
Das gleiche zum Thema "Hiroshima-Bäume (im Palmengarten) sind verdorrt".
Unkommentiert bleiben auch 2016 die Meldungen der FR zu
- israelische Soldaten spielen mit dem Hammer des (jordanischen) Parlamentspräsidenten herum und
- Ansicht von Dan Yardi zu Bombardierungen von Krankenhäusern in Westbeirut.
*
Ernst Jünger erhielt den Goethe-Preis.
Was aber nicht angehe, "das ist der Versuch, Ernst Jünger das schlimmste Kainszeichen, das es seit 1933 geben kann, aufzudrücken. " (OBB Wallmann zur Verleihung des Goethe-Preises).
Ernst Jünger: "Wir brauchen für die kommenden Zeiten ein eisernes, rücksichtsloses Geschlecht. Wir werden wieder die Feder durch das Schwert, die Tinte durch das Blut, das Wort durch die Tat, die Empfindsamkeit durch das Opfer ersetzen - wir müssen es, sonst treten uns andere in den Dreck." - " Im gleichen Maße jedoch, in dem der deutsche Wille an Schärfe und Gestalt gewinnt, wird für den Juden auch der leiseste Wahn, in Deutschland Deutscher sein zu können, unvollziehbar werden, und er wird sich vor seiner letzten Alternative sehen, die lautet: in Deutschland entweder Jude zu sein oder nicht zu sein." - "Hätten die Engländer nicht zwei unnötige Kriege mit und geführt, so könnten sie noch groß da stehen. "
Im Spiegel:
"Ich bin ja nie mit Staatsformen zurechtgekommen, sondern schon als Unterprimaner in die Fremdenlegion ausgerissen, weil mir die bürgerlichen Zustände nicht zusagten, und das ist eben mein Elend bis heute... Was darf man denn heute? Die Sachen,  die man darf, sind doch, sagen wir mal dem Barock gegenüber,  gewaltig reduziert.
Zum Beispiel dürfen Sie heute nicht sagen: "Ich bin ein Faschist." Dann sind Sie schon gleich der Unterste. Oder: Sie dürfen nicht auf der linken Seite fahren mit Ihrem Automobil. Das greift tief in das Individuum ein. Noch meine Väter, meine Großväter haben viel freier gelebt als heute..."
Dazu 2016: Das Problem des Freien, der sich nicht zur Versklavung der Massen bekennen darf. Ein altes Problem von Nietzsche zu den neueren Überwindern, die alle mit dem Ruf nach Freiheit beginnen und zum Ende Züchtungsprojekte am Menschen vorschlagen. Altbekannt auch, dass jede Ideologie für ihr eigenes Unterdrückungsprojekt besondere Freiheit einfordert.
Der Kosmopolit Goethe hätte sich im Grab umgedreht.
Klaus Wachowski


Mittwoch, 5. Oktober 2016

Reue 1989



Über Reue - 1989
Über Tschäpe 2016
Nicht Ihr seid, sondern sie waren Täter, Bejubler und Profiteure von Tätern. Wo sie nicht bereuen ist Entschuldigung Ausrede, Bekräftigung des Verbrechens. Außerdem aber der Versuch, die nicht schuldigen auf ihre Seite zu ziehen, schuldig zu machen der Verzeihung anstelle der Opfer. Niemand als sie hat das Recht der Begnadigung. Wer es ihnen zu nehmen versucht, bestätigt den Triumph der Tat über das Gewissen, jene letzte Barriere gegen die Unmenschlichkeit.
Wir sind nicht so, wie sie uns unterschieben wollen. Und ob wir je so handeln werden und gar so ohne jede Reue, das muß sich erst zeigen! Dazu werden wir unsere Taten an ihren prüfen. Sonst wären wir wie sie uns haben wollen: wie sie.
„Ärzte im Dritten Reich“ von Robert Lifton: Dort gab es alle Sorten Charaktere, aber auch den alles entscheidenden Unterschied der Tat, welcher der Täter sich entziehen kann, sei er danach auch Opfer. Nur wer nicht sehen will, kann sich seiner selbst sicher sein – die Täter sind es bis heute. Ob wir selbst Täter sein können, wissen wir nicht. Wohl aber, daß wir es nicht sein wollen. Anders als jene, welche Täter sein wollten, was ihr Mangel an Reue beglaubigt.
Ich habe mit manchem zu tun, durch den ein höherer Wille durchrutscht wie in einen SS-Automaten. Auch der „nur“ Ausführende ist Täter.
Das Leben bleibt eine mißliche Sache (Schopenhauer), die durch Nachdenken nicht zu ändern, nur zu begreifen ist. Und so finden die Menschen und die, die es bleiben wollen, keine Ruhe, auch nicht über sich selbst. Was bleibt, als dies anzunehmen?
Zum Jahreswechsel Jan 89
*
Heute, mehr als 20 Jahre später unterstreiche ich die Grundaussage.
Wir hatten Glück und kamen nicht an die Macht und Verlegenheit, unsere Selbstgewißheiten prüfen lassen zu müssen. Abwiegelung Pol Pot, klammheimliches Lächeln sind nicht Zeichen moralischer Festigkeit. Was wir beweisen können, ist Reue über solches Tun, Unterlassen, Urteilen oder Loben.
Aber wir wurden mit Glück und eigenem Zutun  nicht Täter. Die andere Seite von 68 – all You need is love- half.
Seither bin ich von meinem Täterbegriff abgekommen. Die Vorstellung, Täter zu sein, geht traditionell mit der zusammen, „durch und durch“ Täter zu sein. Ein Ich kann man danach nicht ändern, bestraft wird eine vom Menschlichen abweichende Seele.
Ich habe bei mir erfahren, daß meine Taten, zwar gewollt waren und nach der Motivationslehre praktischer Philosophen, im gleichen Fall genauso wieder getan werden würden, aber der Gedanke, daß ich bei klarem Verstand und zur Barmherzigkeit zurückkehrendem Herzen dies nicht gewollt noch getan hätte, half mir dabei auch nach außen hin zu bereuen, ohne mich insgesamt als Person verabscheuen zu müssen. Denn ab jetzt war es ein anderer Fall!
Die Tat, so gering sie war: Das, was ich und wie ich wollte, zu verurteilen, ließ mir die Möglichkeit, mir für die Zukunft eine andere Haltung fest vorzunehmen. Und dies half tatsächlich im einen oder anderen Fall den Motiven „berechtigten“ Zorns das Motiv der Zurückhaltung aus schlechter Erfahrung erfolgreich entgegen zu setzen. Und die Reue über die Tat, das zu spät eintreffende Mitleid, konnte im einen und anderen Fall sogar von manchen Verletzten angenommen werden. Wo dies nicht geschah, bleibt die Erinnerung ein Stachel.
"Es war ein Fehler" ist nicht: "Es tut mir leid!" Viele Terroristen der einen oder anderen Seite entschuldigen sich mit "Irrtümern". Es braucht keine Entschuldigung, sondern den Schmerz des Mitleids, das allerdings zu spät zur Abwendung der Tat kommt. Wer will dem Täter glauben, der auch jetzt keinen Schmerz empfindet.
Mit Erkenntnis des Falschen kommst Du zur Tür. Ohne Schmerz kannst Du sie nicht öffnen. Ob Du Verzeihung bekommen kannst, musst Du fragen. Die Antwort kann nur das Opfer geben. Ist sie oder er tot, kannst Du Verzeihung nicht mehr bekommen. Vielleicht können die Angehörigen Dir ihre eigenen Verletzungen vergeben.
Und Du, mein Freund, ich bitte Dich: verzeihe Du nicht, was nur ein anderer, eine andere vergeben kann.
14.8.2016               Klaus Wachowski