Freitag, 27. September 2019

Heimat für Abgefuckte 1995

Altstadtpflaster in Gold. Angeschwemmt die ausgelaugten Leiber der Stadtstreicher, in der Aktion " Unser Dorf soll schöner werden" schon vor Zeiten umgezogen in die Stadtsanierung.

Gitter in Zäune gewunden. Verziert und gesichert. Der Blick in den Dorfgarten geht durch den Rachen eines Rottweilers.

Märsche im Gemeinschaftshaus, Techno in der Scheuer. Schwitzen, stampfen, Fernseh-Himmel. Auf zur Trillerpfeife.

Frühling, Sommer, Herbst, Winter. Sie warten auf eine Landschaft in der Glatze. Manchmal ein Baum für Alte. Schon liegt er unter einem Bauherrenmodell.

Die Wappenteller fliegen von Verdienst zu Verdienst. Schon höre ich die Golfbälle zischen. An den Pforten der Verwaltungsburgen warten die Heimatdichter auf Empfang, die Armen auf den Fluren auf Einlass, während vom Stadion Fans einfallen. Flohmarkt, Kaffeefahrt, ein Pony vom letzten Abitur. Wer leckt an meinem Sparbuch?

Papa saniert sich im Aufsichtsrat, Mama von ihm in der Bar.

Aber herrlich scheint die Sonne unters Dach der Bäume.

Geschrieben 27.6.95, nach einer Tour über ein breit aufgestelltes Land
Auch im Westen war Osten.

Nachgelesen Sept. 2019

Sonntag, 22. September 2019

2003

Um die 50

Ich rede vom Alter,
ich rede von Kindern,
Ich habe die Welt vergessen.

Hallo, wo bist Du,
rufe ich in einem tief eingeschnittenen Tal.

Ich verstehe die Antwort nicht mehr.

Ich ahnte es, daß das ästhetische Betrachten nichts bringt als das Erkennen, daß die Lust aufgehört hat. Das Elixir!

Ich bin sauer auf das Leben, dass mir den Frieden gegeben hat, den ich nicht wollte und hasse.

7/03

Die Drohne

Na klar puppert das Herz zum Muttertag
Und eine  Beförderung ist auch mehr als ein Pappenstiel,
Dann gibt es da noch den Bausparvertrag
Und mitten im Mobbing Triumphgefühl.

Auch ich biege mich im Schwänzeltanz,
Lache mit der Macht.

*
Viel politisches planen kommt vom Sandkasten her:
Dreck in Dreck verwandeln.

*

Vom richtigem Leben

Würde ich richtig leben,
Dann wären da
Aktien und Häuser und Jet-lacks.
Du weißt.

Und Musik und Schauspiel verneigten sich,
Und Marmor glühte
Und Luft schwer von Düften,
Gedichten.

So dachte ich manchmal im Regen
Und unter den spähenden Blicken der Macht.

Dann sah ich die Krawatte
und lachte.
Und lachend sahn wir uns an
Aus struppigen Träumen,  aus struppigem Bart.

Das Internet

Das Internet hat sich aus einem Horizont in eine Ansammlung von Schläuchen und Säcken verwandelt, in denen sich die individuellen Mäuse gegangen finden, und in einen breiten Kanal von Ratten gelenkt werden. 

Borzelkaschde 2000

Wie oft komme ich nach KIB? Und gerade bei dem einen mal finde ich die Foto-Ausstellung 25er Borzelkaschde. So ein lustiges Ding und einen lustigen Kerl, der sich über beide Backen freut. So ein Zufall!

Für einen Wassermann ist es immer schön, ein Stück allein zu fliegen. Im Neuen, nicht im fremden. Und dort eine bekannte Reflexion zu treffen. Im Sack der alten Papiere finde ich die "vorläufige Mitgliedskarte des deutsch - ausländischen Freundschaftsvereins" von 1986. Wie bin ich von dort hierher gekommen? Was kann mich noch so entzünden wie das damals? Viel Spaß ist verloren gegangen in der Auflösung der diskutierenden Zeiten in Talk und "Gespräch". Nicht zu vergessen die "Podiumsdiskussion", dass blanke Elend vor dem Monolog. Was haben wir erklärt, bestritten, unterbrochen, geschrien, hektisch und stotternd, stolpernd. Da war Pfeffer, Wortgewitter, Witz und Wut. Was für ein Spaß!

Zuerst haben uns die Ideologen gefangen, dann die Taktiker. Wir traten aus, wurden hinaus getreten. Und plötzlich die unheimliche Ruhe der Seriosität, Servilität. Der Jux hat seinen Platz.

Ich bin alt geworden: Spiel und Spaß sind Ernst und Freude geworden. Nicht übel, etwas näher am Quell des Lebens zu sein. Aber auch nicht gut, wenn sich keine Vögel mehr in die Nähe trauen, weil so ein schwarzer Kloß herummeditiert.

Ca 2000

Dienstag, 17. September 2019

Foto: Regen ins Wasser

Diese Regentropfen sind schon lange im Meer aufgegangen. Hier überleben sie als Lichtspur auf einer Farbfolie. Der Buddhist versenkt sich in diesen Anblick, um durch die Dinge zu dringen. Aber es ist nur Papier, in dem er zu sich statt zur Erkenntnis kommt. Die Auflösung im Nicht- Sein: die Wassertropfen haben dieser verkehrten Sehnsucht der traurigen Menschengeschlechter das Sich-Auflösen im Sein vorgezogen. Sie steigen auf die Wolken und fallen herunter in die nächste fließende Existenz. Ich sehe hin und werde trübsinnig. Das Leben erscheint grau, immer gleich, kalt. Hier tritt gnädig oder vielmehr freundlich (sie ist nicht Herrin von der Gnade) die Zeit an mich heran, legte den feinen Schleier Alter über meine Augen und mein Herz steigt nun auf den warm erleuchteten Nachen von Böcklins Toteninsel. Die ihr in fernen Köpfen über diese Elegie lächelt: Ich grüße Euch aus Eurer Zukunft.

Astronauten 2004

Astronauten

„Die Leere des Geschehenen und die beunruhigende Unsicherheit des Nichtgeschehenen als ständige Wiederholung." Dazai Osamu „Sadu" (ostasiatische Hefte Nr 35) mit Bezug auf Jakob Wassermann.

Auf der Umlaufbahn zu weit hinaus geschleudert in die Einsamkeit.

Der japanische Dichter findet nicht zurück. Er stürzt sich aus der Höhe der Vorzeit in das Meer von pechschwarzer Tusche. Ein Schneewehen aus den Buchstaben seiner gefrorenen Sehnsucht wirbelt hinaus in die Nacht.

Hans stellt die Lidl-Tüte ab, um einen Schluck schmerzloses Vergessen zu sich zu nehmen. Er sieht die Erde, um die sich der Mond dreht, dieses faule Versprechen. Verbrannt von der Berührung der Menschen, ausgebrannt von wütenden Verteidigungskämpfen und ins Leere flackernden Leidenschaften, tastet er in der Asche nach einer Schlafstatt.

Das Kind des Rabbi schließt den Deckel über dem Buch von Auschwitz. Die Empörung hat ihre Stimme verloren.

Aus den Falten und Rissen in der Haut eines in die Wüste ausgelaufenen Lebens starren die unauslöschlichen Blicke der in die ätzenden Wasser der Interpretationen gedruckten Anklagen all dieser. All Dieser.

Aber der Wind lacht und lacht.

Da ruft es aus den unter der Kruste leuchtenden Gottesfunken der Chassidim, aus den Reflexen über den Schaumkronen des Meeres, aus der Glut unter der Asche einer Mülltonne: Du.- Sei mein Zeuge.

Halte fest an mir. Höre und sage es weiter und weiter.
Begleite mich - von feme. So sei mir nah.

Aus dem Lachen eines neu geborenen Tages,
eines neugeborenen Herzens.

1/2004

Wildgänse 2004

Wildgänse

Dieser Schrei, ist es nicht unserer?
Vom Eintauchen ins Licht
bis zum Erlöschen der Augen?

Auffliegend, stürzend
in flüchtigem Körper
fliehendes Herz.

Es brennt die Sehnsucht
dann gefrierende Angst
und wieder ein Flügelschlag
weiter und heißer.

Es macht Angst.
Es macht Lust.
Wir fliegen,
wir schreien.

20.11. 2003

Montag, 16. September 2019

Der neue Morgen 1991


Der neue Morgen


Es pocht das Herz
Elend und Schmerz.

Das Glück,- wie habe ich geglüht!,
Müde aus den Falten zieht.

In diesem Zeiger kreist die Welt,
Märchenbuch ist auserzählt.

In der Sonne leer
steht der Körper schwer.

Samstag, 14. September 2019

1996 Kompetent und potent in Zürich


Hannah-Arendt-Tage Zürich 1996 Begleiterscheinung

Kompetent und potent

Ein Held des Systems hält einen Vortrag (Hannah Ahrend - Tage). Eingepasst, leuchtend. Highlight an der Musicbox. Jeder Kupferdraht hat Widerstand. Dieser leuchtet ohne. Wie oft man doch zuhören muss, wenn einer nichts sagt.

Ein paar Tage später bin ich beim Gepäckverstauen. Meine Gedanken von Plänen zugestapelt. Ein Eichhörnchen springt über die Straße. Gejagt ist es doch frei. Im zen- Lexikon lese ich, dass die ideale Lebensweise einem Vogel am Himmel zu vergleichen ist, der keine Spur hinterlässt. Mir gefällt das Eichhörnchen besser. Was interessieren Spuren? Es ist bei sich.

Zwei unangenehme erlebnisgeile Ossies am Nebentisch. Neonazi- Glatze, auch das ist eine Uniform. Fett eine ein weitläufiger Pionierführer mit kompakten Besserwissen über die Minderwertigkeit von Menschen und Völkern, fett andere ein auf ihn hineinfallender Asoz mit dem Traum von reichen Sexomaninnen, den Hass auf Fremde und dem Ekel vor Sensibilität und Berührung. Ausgerechnet ein Langhaariger aus meiner Zeit, großmäulig, West-coast setzt sich zu ihnen. Der Führer vergisst sofort seinen Kumpel, hält ihn mit Augenzwinkern bei der Stange und schaltet ansonsten sofort auf englische Konversation. Mir fällt clockwork orange ein.

Es gibt hier in Zürich die rote Fabrik, ein akademisches Anarcho- Projekt, schrill mit Sehnsucht nach Proletariat. Vielleicht macht der junge Althippie dort Musik, wenn er nicht in der Fußgängerzone von einem Himalaya- Tempel mit Florida- Klima und Wohngemeinschaft träumt. Die beiden Glücksjäger brauchen zur Kühlung ihrer Verletzungen etwas anderes an Rausch.

Jugendherberge. Individualität ist möglich. Beobachter aus Asien und Lateinamerika ziehen an ihnen vorbei. Sie suchen Europa und finden ein gut sortierten, weil Schweizer, Kaufhaus. Auch sie selbst sind Teil des Geschäfts. Ohne Kundschaft lohnt das ganze Elend nicht. Wie der Kommunikation ist es auch der Heimat ergangen. Nirgendwo auf der Welt zu finden. Die Palme in der malayischen Bucht hat keine von einem Menschentraum geborene Seele mehr. Sie macht Show im Katalog. Die Berge sind in tausend Kameras besser präsent als im von Videoten zugeparkten Blick. Wie harmlos dagegen die Ständer mit Ansichtskarten von Brüsten und Kirchen. Edelweiß und Grimassenschneiderin nicht zu vergessen, die seit Erfindung des Fotos gegen das Schweigen in der Natur angetreten sind. Jodler oder Lacher, wo ist der Unterschied? Mit einem Furz gegen den Verkehr anstinken.
1. Ein japanischer Skate-Roller,Rap-Mütze auf der Glatze, messerscharfen Krummnase und windschnittiger Ziegenbart flitzt in die City. Schickt die Zigarette zwischen den Fingern wie ein nervöser RocknRoller. Ein hochgespannter Nerv. Findest Du hier an der Goldküste so etwas wie einen überlebenden ⁰Eingeborenenstamm, einem fremden Krieger Gastrecht zu gewähren? Die Zeit ist schneller als der schnellste Roller. Ein Paar müde Alte, Kameras, Kassen. Mehr wirst Du nicht finden. Die Realität ist ein drittklassigen Film. Um sie zu befreien, müssen wir in uns zurückkehren.
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Mittwoch, 11. September 2019

Der Himmel geht auf


Nach dem Fall      ca.1990
Der Himmel geht über allen auf.
Da ist ein Brüllen in der Luft
von Einigkeit.
Wohlstand geschehe auf Erden
und Freiheit ist die einzige,
die fehlt.*

Der Hunger knirscht über die Ozeane ,
von Auschwitz erhebt sich das Schweigen
Die Mauer bricht.
Erweichen auch die Herzen?
Der Osten öffnet,
die Börsen schließen sich.

Tanz in den Strassen,
Blut in den Kellern
der Supermarkt streut Kaffee aus
und seine Truppen Minen .

Wer von uns wars,
der diese in das Schlachten schickte?
Der Himmel geht über allen auf,
erstrahlt in Hiroshima.

* Westernhagen 1987