Mittwoch, 16. August 2017
1983
Freitag, 11. August 2017
Bereinigtes aus den 80ern
Dem Leiden stecken sich ohnedies nur wenige Hände entgegen. Es wage nicht die Bitte, über die bare Existenz hinaus am Leben auch noch teilzunehmen. Es verwende das gleiche Parfüm von Kultur und zeige nicht, das es die höhere Zivilisationsstufe von Bierfusel und Weindusel nicht riechen kann. Intellektuellen gegenüber treffe sein Angstschrei den rechten weltanschaulichen, zu Zwecken der Lyrik verwendbaren Ton. Die Nase ist das dem Herzen gegenüber höher entwickelte Organ.
Reue und Verbrechen
anlässlich Bericht der FR 20.3.87 zum Euthanasie - Prozess des Dr. Ullrich
Das Widerwärtige ist nicht, das ein von Strafe bedrohter Lebenswille die abseitigen und übelsten Argumente zur Verteidigung nutzt und Barmherzigkeit lügt, sondern, daß er nicht bereut. Aber Reue nimmt ja freiwillig und- im achtenswertesten Fall- die Strafe gerne auf sich. Strafe hat den Sinn, den Triumph des Verbrechers angesichts des Leidens aufzuheben - allerdings durch Leiden. Das ist die Gemeinschaft den Opfern schuldig, doe sie nicht schützen konnte.
Der gewöhnliche Verbrecher kann als entschuldigende Grundlage seiner Tat nur den Aspekt der eigenen Notlage vorbringen, sei es innerer Zwang, sei es äußerer Mangel. Je nach Größe der Zwangslage kann dann im Sinne der Opfer straffe vermindert oder verschärft werden. Damit müssen Opfer oder Angehörige dann leben. Bei Nazi - Verbrechen ist es in der Regel so, das die Notlage auf Seiten des Täters darin bestand, sich bei der Wahl zwischen Gehorsam und Verweigerung, also zwischen Wohlbefinden und geringfügigen Nachteilen, sich für die Karriere entschieden haben. Die strafverschärfende Motivation wird leider nur von den Opfern und den Angehörigen wie wenigen Beobachtern regelmäßig erlangt. Die solcherart mangelhafte Fähigkeit der Gesellschaft zu ethischem Urteil ist hinzunehmen und der insgesamt kläglichen Beschaffenheit des Lebens selbst zuzuschlagen.
Von Rache unterscheidet sich Strafe insofern als sie das Leiden, das sie verhängt an der Größe des Leidens orientiert, das die Tat dem Opfer zufügte, insofern als es Rechte gegenüber Menschen hatte. Rache geht darüber hinaus, indem sie auch leiden verfolgt, das nicht der Tat zuzurechnen oder dem Opfer selbst geschehen ist. Ihr Ziel ist nicht Aufhebung des Verbrechens, sondern Leiden des Verbrechers.
Opfer, Angehörige und der von Abscheu bewegte Betrachter erwarten, über die Bestrafung der Tat hinaus die Abkehr des Täters von der Tat. Strafe u.U. d Rache sind nicht zu solcher Wirkung fähig: der Schuldige wird dadurch zur Furcht vor den Verfolgern, nicht zu reuigem Mitleid bewegt.
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Todesstrafe
"Es ist etwas in meiner Hand, das sich weigert, ein Todesurteil zu unterschreiben. " Charles II. von England.
Während in den Händen manches aufgeklärten Staatsoberhaupts häufig etwas ist, das sich weigert, eine Begnadigung zu unterschreiben.
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Über Feigheit
Mut ist, wie Schopenhauer bemerkt, keine Eigenschaft von moralischer Qualität. Die Überwindung der( berechtigten) Furcht durch ein die Zwecke der Selbsterhaltung verdrängendes Motiv ist aber im Gegensatz zu Schopenhauers Deutungsversuch nicht schon wegen der Verachtung des Lebenswillens auch der Achtung wert. Ob Mut moralisch oder verächtlich ist, hängt allein von der Qualität des Motives ab, die ihn hervorbringt.
So kann der Selbsterhaltungswille sowohl durch ein Motiv überwunden werden, das sich aus der Hoffnung auf einen sadistischen Genuss für einen niederträchtigen, als auch durch ein anderes, das sich aus dem Anblick eines Leidens für einen barmherzigen Charakter ergibt. Ob der Mut sich dagegen anlässlich einer verzweifelten oder einer hoffnungsvollen Situation zeigt, hat Bedeutung nur hinsichtlich seiner Größe ( im Verhältnis zur überwundenen Angst), nicht hinsichtlich seiner moralischen Qualität. Es gibt großen Mut in menschlichen wie in bestialischen Angelegenheiten.
Ebenso kann Feigheit in moralischen Dingen keine Schuld wie in niederträchtigen keine moralische Achtung begründen. Wo etwa der Selbsterhaltungstrieb über das Mitleid siegt, ist das Handeln nicht der Achtung würdig.
Da Selbsterhaltung Grundlage des Lebenswillens ist, richtet sich die Verachtung der Feigheit gegen das Leben, den Menschen überhaupt. Der Einzelne muß aber nur insofern, nicht für die spezielle Tat, sondern für sein Menschsein überhaupt die Verachtung annehmen. Und für das Tun oder Unterlassen mag er strafrechtlich - von der Tat her - verantwortlich sein. Moralisch, im Feld der Motive, ist die Schuld unmöglich zu ermessen. Daß er "so einer ist", oder war, z.b. überhaupt fähig war, böse zu wollen, nicht zu bereuen, ist das, was wir nicht begreifen, weder bejubeln noch verachten können. Wir verachten und bestrafen aber, dass er dieses Wollen umgesetzt, sich vom auch-Mensch-sein abgewendet hat.
Dienstag, 8. August 2017
Wege sanieren
Ich betrachte Texte der 80er, zum Teil sind sie noch älter.
Ich finde Wahrheiten des Verstehen und Herausfinden-Wollens, heldenhaft erzürntes Pathos, Talent. Den allergrößten Teil werfe ich weg, lasse die Erinnerung am Vergessen arbeiten.
Ja! Meinen Weg ging ich suchend, im Wunsch gerecht zu sein, zu helfen, es richtig zu tun. Ich hatte Erfolg, nicht Ruhm. Ich erlebte Glück.
Dem Leiden versuchte ich eine Stimme zu geben. Jetzt habe ich selbst davon, ohne davon reden zu können. Aber für das, was ich hatte, danke ich.
Warum nicht dokumentierten? ich möchte schon von den schönen, erhabenen, schlimmen und gefährlichen Plätzen berichten und singen, zu denen mich mein Weg führte. Andere kamen auf anderen Wegen zu den gleichen Plätzen oder zu schöneren pp. Wer einmal nachschauen wollte, wo ich war und wie es mir erging, sollte auf dem Weg zu solchen Plätzen lieber nicht vom eigenen Weg abweichen. Die vielen kleinen Irrwege, Gartenpfade nicht weniger voll Schlamm, Dornen aber auch schönen Panoramen pp, unterscheiden sich zu wenig unter uns Wanderern, als dass man auf das Erlebnis eigener innerer Landschaft zugunsten des Nachlebens einer anderen verzichten sollte. Lieber vom eigenen enttäuscht als vom anderen erhoben und vom eigenen enttäuscht. Mein Rat: Hänge deinen eigenen Knüppel statt einen Feinstrich von Picasso auf. Aber besuche diesen in einem guten Museum.
Und mich besuche in meinem Blog, wo ich selbst schon ausgewählt habe und weiter vor allem auch lösche.
Ich schreibe zu viel als daß ich viel von anderen lesen könnte. Das wenige hat mir gezeigt, daß es viel Gutes auch bei anderen gibt, das sich zu erkunden und aufzubewahren lohnt. In Kindheit und Jugend habe ich vor allem die Luft in der Stadtbücherei eingesogen, später las ich Phantastisches, politische Literatur. Dann mehr und mehr. Dann: Wie gut, daß es eine Schopenhauer -, eine Jean - Paul - Gesellschaft gab. Wie gut, das der Verlag 2001 Karl Kraus nachdruckte. All die verschlungenen Pfade von Suchern, Liebenden, die man nachgehen konnte, wenn man etwas aus dem eigenen Inneren deutlicher, schöner gesagt hören wollte. Es sagte: geh den eigenen Weg! Und: Suche!
Und ich ging durch eigenes Dickicht. Und es war und ist schön und unschön, aber selbst. Mag der Wind meine Spur verwehen, ich selbst helfe nach. Was sichtbar bleibt, möge den Aufwand des Interesses lohnen. Wenn nicht: ich habe mein bestes getan, dies zu ersparen. Und auch Enttäuschung lohnt als Angebot zu eigenem Leben.
Ich war jung. Die neuen Jungen, soweit sie kritische Vernunft bevorzugen, schreiben so pathetisch und energisch wie ich damals. Ich entsorge ähnliches. Aber ich finde, solcher Rausch hält die Sehnsucht nach allem, was den Menschen liebenswert macht, also Menschlichkeit, am Leben. Mein weiser Kopf lächelt. Eine Alterserscheinung. Auch sie herzlich nötig.
8.8.17