Freitag, 11. August 2017

Bereinigtes aus den 80ern

Ein Mitleid, das hilft, wenn das Opfer sich durch Charakter legitimiert!

Dem Leiden stecken sich ohnedies nur wenige Hände entgegen. Es wage nicht die Bitte, über die bare Existenz hinaus am Leben auch noch teilzunehmen. Es verwende das gleiche Parfüm von Kultur und zeige nicht, das es die höhere Zivilisationsstufe von Bierfusel und Weindusel nicht riechen kann. Intellektuellen gegenüber treffe sein Angstschrei den rechten weltanschaulichen, zu Zwecken der Lyrik verwendbaren Ton. Die Nase ist das dem Herzen gegenüber höher entwickelte Organ.
Reue und Verbrechen
anlässlich Bericht der FR 20.3.87 zum Euthanasie - Prozess des Dr. Ullrich

Das Widerwärtige ist nicht, das ein von Strafe bedrohter Lebenswille die abseitigen und übelsten Argumente zur Verteidigung nutzt und Barmherzigkeit lügt, sondern, daß er nicht bereut. Aber Reue nimmt ja freiwillig und- im achtenswertesten Fall- die Strafe gerne auf sich. Strafe hat den Sinn, den Triumph des Verbrechers angesichts des Leidens aufzuheben - allerdings durch Leiden. Das ist die Gemeinschaft den Opfern schuldig, doe sie nicht schützen konnte.

Der gewöhnliche Verbrecher kann als entschuldigende Grundlage seiner Tat nur den Aspekt der eigenen Notlage vorbringen, sei es innerer Zwang, sei es äußerer Mangel. Je nach Größe der Zwangslage kann dann im Sinne der Opfer straffe vermindert oder verschärft werden. Damit müssen Opfer oder Angehörige dann leben. Bei Nazi - Verbrechen ist es in der Regel so, das die Notlage auf Seiten des Täters darin bestand, sich bei der Wahl zwischen Gehorsam und Verweigerung, also zwischen Wohlbefinden und geringfügigen Nachteilen, sich für die Karriere entschieden haben. Die strafverschärfende Motivation wird leider nur von den Opfern und den Angehörigen wie wenigen Beobachtern regelmäßig erlangt. Die solcherart mangelhafte Fähigkeit der Gesellschaft zu ethischem Urteil ist hinzunehmen und der insgesamt kläglichen Beschaffenheit des Lebens selbst zuzuschlagen.

Von Rache unterscheidet sich Strafe insofern als sie das Leiden, das sie verhängt an der Größe des Leidens orientiert, das die Tat dem Opfer zufügte, insofern als es Rechte gegenüber Menschen hatte. Rache geht darüber hinaus, indem sie auch leiden verfolgt, das nicht der Tat zuzurechnen oder dem Opfer selbst geschehen ist. Ihr Ziel ist nicht Aufhebung des Verbrechens, sondern Leiden des Verbrechers.

Opfer, Angehörige und der von Abscheu bewegte Betrachter erwarten, über die Bestrafung der Tat hinaus die Abkehr des Täters von der Tat. Strafe u.U. d Rache sind nicht zu solcher Wirkung fähig: der Schuldige wird dadurch zur Furcht vor den Verfolgern, nicht zu reuigem Mitleid bewegt.
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Todesstrafe
"Es ist etwas in meiner Hand, das sich weigert, ein Todesurteil zu unterschreiben. "  Charles II. von England.
Während in den Händen manches aufgeklärten Staatsoberhaupts häufig etwas ist,  das sich weigert, eine Begnadigung zu unterschreiben.
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Über Feigheit

Mut ist, wie Schopenhauer bemerkt, keine Eigenschaft von moralischer Qualität. Die Überwindung der( berechtigten) Furcht durch ein die Zwecke der Selbsterhaltung verdrängendes Motiv ist aber im Gegensatz zu Schopenhauers Deutungsversuch nicht schon wegen der Verachtung des Lebenswillens auch der Achtung wert. Ob Mut moralisch oder verächtlich ist, hängt allein von der Qualität des Motives ab, die ihn hervorbringt.

So kann der Selbsterhaltungswille sowohl durch ein Motiv überwunden werden, das sich aus der Hoffnung auf einen sadistischen Genuss für einen niederträchtigen, als auch durch ein anderes, das sich aus dem Anblick eines Leidens für einen barmherzigen Charakter ergibt. Ob der Mut sich dagegen anlässlich einer verzweifelten oder einer hoffnungsvollen Situation zeigt, hat Bedeutung nur hinsichtlich seiner Größe ( im Verhältnis zur überwundenen Angst), nicht hinsichtlich seiner moralischen Qualität. Es gibt großen Mut in menschlichen wie in bestialischen  Angelegenheiten.

Ebenso kann Feigheit in moralischen Dingen keine Schuld wie in niederträchtigen keine moralische Achtung begründen. Wo etwa der Selbsterhaltungstrieb über das Mitleid siegt, ist das Handeln nicht der Achtung würdig.

Da Selbsterhaltung Grundlage des Lebenswillens ist, richtet sich die Verachtung der Feigheit gegen das Leben, den Menschen überhaupt. Der Einzelne muß aber nur insofern, nicht für die spezielle Tat, sondern für sein Menschsein überhaupt die Verachtung annehmen. Und für das Tun oder Unterlassen mag er strafrechtlich - von der Tat her - verantwortlich sein. Moralisch, im Feld der Motive, ist die Schuld unmöglich zu ermessen. Daß er "so einer ist", oder war, z.b. überhaupt fähig war, böse zu wollen, nicht zu bereuen, ist das, was wir nicht begreifen, weder bejubeln noch verachten können. Wir verachten und bestrafen aber, dass er dieses Wollen umgesetzt, sich vom auch-Mensch-sein abgewendet hat.

Schwieriges, nie abgeschlossenes Metier, am Einzelfall stets neu zu verhandeln. (Nachsatz 40 Jahre später)

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