Mittwoch, 11. Januar 2023

aus Blog 2011 Politisch-Philosophisch

29.11.11 Allgemeines

Es wäre einmal interessant, Hannah Arendts Entdeckung des gesellschaftlichen Auftretens von Paria und Parvenü in der ersten Emigrantengeneration der Verfestigung in Spießer und Narziß bei Eingeborenen und Integrierten gegenüberzustellen: Was geschieht und was hilft von

Paria und Parvenü. zu Spießer und Narziß.
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Sie verkehren in ersten Kreisen und verachten ihre Aufgabe.
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Das Verbrechen der nordkoreanischen Diktatur, aus Menschen Roboter zu machen, kenne ich sonst nur aus den Familien des Bildungswahns.
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Rhetorik: Sie lernen Techniken, statt Haltungen einzuüben. Herrschaft versus Kommunikation.
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Ausflug ins Primitive: Wenn Aspekte um Sarrazin scharwenzeln.
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Hast Du Meinungen oder Beziehungen?
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Vor dem Neandertaler war der Mensch.


Verrat am Atheismus 5.12.11

Am  Abgrund der Grandiosität gesprochen.
Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Gab es denn eines vor der Berührung?
Der Mond leuchtet als eine weiße Scheibe aus den Reiseberichten des Basho. Es fliehen Seelen aus Scherenschnittpapier. Der Denker hat einen sensiblen Zeichner an der Hand. Seine Gedichte rascheln wie vertrocknete Blätter.
Im Gesang der Nachtigall höre ich dagegen manchmal die Stimme eines chinesischen Dichters.
*
Faules Mitleid am Ichiburi-Paß.
Eine Bestätigung meiner Einschätzung von einsamer Suche eines leeren Herzens bekomme ich beim Lesen seiner Notiz über einen Aufenthalt am Ichiburi-Paß. Hier verweigert der Mann im Priester-Gewand zwei allein reisenden "Liebes"dienerinnen seinen Schutz. Einige Episoden vorher hatte er sich bereits über die Liebesblödigkeit eines Bauernmädchens lustig gemacht.
Woher kommt mir nur die Verehrung des Alten? Wie liebesblöde Mädchen falle ich auf die Versicherungen von Verwaltern der Kultur herein. Was die faulen Komplimente der Medien und die feindlichen Übernahmen durch den Betrieb überlebt hat, das müsste doch Bestand haben!- Aber von uralt her setzt sich doch stets auch das dick Aufgetragene, Verlogene und Leere durch.
Das darwinsche Gesetz vom Sieg des Unbarmherzigen zeigt sich im Geistigen als Gesetz der Wurstigkeit. Auch hier herrscht der Wille über die Urteilskraft, Promotion über Motion. 

Nehmen wir doch die Schere! Schneiden wir diesen Mond in Stücke!
Sieh den Tanz vor dem Fuji im letzten Teil des Films "Kirschblüten, Hanami", in dem Doris Dörrie und den beiden Schauspielern ein bleibender Ausdruck von Liebe, Erfüllung und Weh der Trennung gelungen ist. Was davon findet sich in den kunstvollen Künstlichkeiten des Basho? Aus der Ouse klingt es wie Sehnsucht und Einsamkeit. Virginia öffnet den Frühling mit einem Kreis von Vogelstimmen.
In einer aktuellen Ausstellung dagegen werden "Texte von Reiner Maria Rilke, aber auch Plastiken" gezeigt.
Das also bleibt:-  Das Huhn, das goldene Eier legt (wie Karl Kraus mir aus der Seele sprach). Gemütsbommel und Plastinator. War es im alten Japan anders?
*
Wieviel Zeit bleibt uns noch?
Was werde ich in meiner letzten Stunde denken, wenn Schmerz und Furcht es zulassen? Was sind all meine klugen Erkenntnisse, Wahrheiten, Begeisterungen?
Nichts wird bleiben.
Alles wird bleiben: Materie, Leben. Und: Liebe.-
Wenn das Sterben einen letzten Gedanken zulässt, wird Liebe mit der Trauer gehn.
Basho wandert durch Berge und Täler des Hinterlands. Es sind nicht gerade viele Erscheinungen die beim Eindringen des Lichts in den Glaskörper seiner Seele aufleuchten: Er sagt „Schloß", „Berg" und „Tal", da hat einer ein "großes" Gedicht geschrieben. Da tropfen Tränen um die alte Zeit, während das Pferd neben seinem Kopf seinen Urinstrahl rauschen läßt. Der Mond bescheint eine gespenstische, von Ruhmsucht dürre Einöde.
Ich lese das Gedicht "Karfreitagskind" des Georg Trakl, in dem ein Wort der Wehmut aus der Tiefe ruft. "Wo du gehst wird Herbst und Abend". Ich lese ein Gedicht aus dem Haiku-Automaten Basho. Er versucht sich in alten chinesischen Dichtern, die sich zu ihm verhielten wie die Weide an einem chinesischen See zu einem Sushi-gewickelten Bonsai.
Die Prosa der Kawabata und Inoe aber, das Japan ab dem 19. Jahrhundert findet zum Ich. Die Seele als räumliches Gebilde.
Im Regal steht nun Woolf neben Basho. Der Unterschied heißt "Liebe". Es scheint so, dass die Liebe erst dort erscheint, wo das Individuum hervorkommt. Wie aber das Individuum sich über das Individuum erhebt und Narziß zum Amok wird, so wird andererseits die Liebe zu einer erneuerten Herrschaft der Beziehung und der Familie benutzt.
Doch ist selbst dies nicht besser als der Weg ins Nicht-sein-wollen, der dem Buddhismus den Weg insbesondere in Gesellschaften des Zwangs bahnte.
Das Kastensystem wurde überwunden. Aber nicht zur Verwirklichung der Seele im Dschungel der Welt, sondern zu ihrer Unterwerfung unter die Gegebenheiten, zum Verzicht auf das Recht, Ich zu sein. Leben sei Leiden und deshalb aufzugeben. Was antwortet das Leben?

"Ja, Du wirst alles verlieren!
Ist es deshalb Nichts?"
"Ja, da ist Leiden. Warum willst Du die Freuden noch nicht einmal als Geschenk annehmen?"
Ich sehe den Film Revolutionary Road über einen Liebeskonflikt in den 50er Jahren. Ein Film der Gefühle. Basho erscheint immer fremder. Als sei ihm Liebe nur eine pubertäre Verirrung, die von schwachem Intellekt zeugt.
Ein Fürst, ein reicher Freund, ein Pferd, die Sippe und das Dorf, ja die Meinung der Nachbarschaft sind ihm mehr wert als Frau und Kind. Das Ich ist nur insofern von Wert, als es sich in den Dienst einer Sache stellt.
Mir ist es wichtig: das Erleben des Lebens. Erst dadurch wird mir das Erleben der wie aus dem Nichts kommenden, wie ins Nichts gehenden Natur zum Wunder, erst dadurch erlebe ich die Einsamkeit als schön, aber auch als schmerzhaft. Erst dadurch erhält der Regen, der jeglichen Tag regnet, seine dunkle, zehrende Trauer, der Mut der für ein Anderes Sterbenden Bewunderung und der Selbstmord der Verzweifelten -anders als der der gedopten Ideologen- unser Mitleid.
Wie oft erscheint so mancher dröhnende Selbstmord doch als Ausdruck von Unreife, Langeweile und Narzißmus, weil dieses Ich sich ja nicht von einer schmerzenden Welt frei macht, sondern weil es seine ästhetischen und ideologischen Wünsche nicht erfüllt sieht (Mishima).
Das Geschenk, all dies um uns herum und in uns mit Sinnen und Bewusstsein erfahren zu dürfen- der Dichter Basho geht hindurch wie besoffen, dichtet in mäßiger Berührtheit. Breites Wissen in der Landschaft, interessant bis zum Abwinken. Die Gedichte klappern von Konstruktion. Die in einen Wattebausch von Bildung gewickelte Einsamkeit läutet wie eine tönerne Schelle aus jeder Notiz dieser Reise.
Mein Gott, Buddha! bedenke: was Du da sagst, soll doch ein Ich hören...
*
Vom Willen gepeitscht, vom Wunsch nach Herrschaft und größerer Herrschaft, peitschten sie ihre Brüder und Schwestern als Sklaven. Vom Willen gepeitscht sehnten sie sich nach Erlöschen des Willens.
Sie ritten durch das Chaos von Schmerz, Angst, Hass und Misstrauen, das sie geschaffen hatten und sehnten sich wie Nazi und Stalinist nach dem Nichts, vor dem es keine Verantwortung gibt.
Drei aber folgten einem Stern nach, der Liebe leuchtete. Und sie fanden Gott, den Menschen, in einer Krippe liegen. 

Sie hörten den ersten Schrei.

30.12.11 Brüderlichkeit und Freiheit
Zu Ägypten

Brüderlichkeit ohne Freiheit und ohne Gleichheit,

das ist oft, was bürgerliche (richtige) Revolutionen im ersten Aufbrausen erzeugen.

Die glorreiche französische Revolution endete -nach dem Terror des moralistischen Weltbilds- in der nationalen Sackgasse Napoléon, der den Beginn zur Vernichtung der Republik durch Imperialismus riskierte.
Die argentinische Revolution nach der Diktatur, die osteuropäischen Revolutionen zogen ins nationalistische oder rückwärtig-stalinistische Gefühl am Lagerfeuer, an dem doch zumeist der Neandertaler sitzt. In Deutschland-West war es der warme Herd der autoritären Adenauer-Strauss Republik.

Ägypten, wo sich die alte Herrschaft gegen das neue Sicherheit- und Ruhe- Bedürfnis in der Sehnsucht nach konservativen Traditionen wehrt, haben Freiheit und Gleichwertigkeit ebenfalls einen schweren Stand.

So lange keine ideologische Zuspitzung zum Fundamentalismus, (wie in der nationalen Sehnsucht: zum Faschismus der betonierten Standesgesellschaft), stattfindet, ist die Republik zwar in Gefahr aber noch zu retten - durch Widerstand der nicht beachteten Sehnsucht : Freiheit und Gleichwertigkeit.

Zu Nietzsche 

Dienstag, 15. November 2011

Nietzsche, das Problem der Freiheit

Nietzsche
Das Problem Freiheit

Gott ist tot. Soll sich die Sonne also um Friedrich Nietzsche drehen. Hallo! Ich bin sterblich.- Was soll ich mit Ratschlägen für gelangweilte Unsterbliche?


Was dem Philosophen Parerga und Paralipomena sind, ist Nietzsche die Hauptsache. Umwertung der Werte. Talmi zu Gold: was Unwert war wird dem Willosophen Wert.

Ein Alleinunterhalter auf der Kleinkunstbühne der verlassenen Philosophie. Dabei weniger Schauspieler, eher Beleuchter, der uns die Welt in einem interessanten Licht zeigt, wie Wagner es mit Musikschmier tut. Den Dichter der Welt, das Ich und Du, würde er gerne tot sehen. 

Ich stehe eher auf Sokrates: Die Welt des Wollens ist mir Westkurve: laut, brutal, tierisch gut drauf. Ich will verstehn (das Forschungsmotiv der Hannah Arendt), nicht beurteilen. Das kommt von alleine...

Fühllose Freiheit kann temperamentsbedingt kaum mit Musikgemüt Wagner noch mit Leiden-und-Mitleiden-Schopenhauer. Umgekehrt erkennen sie in ihm den oberflächlichen und kalten Chaoten.

Es ist mir schwierig, Animositäten aufrecht zu erhalten, wo Freunde sich freuen. So hat Richard mich für Klassik- und Katzenfreunde gezähmt, der Pfarrer R für Gott, der Brieffreund W für Theleweit und nun macht der Flaneur durch die Geisteswissenschaften S (nicht Sl) meinen Hass gegen Nietzsche stumpf. Viel mehr Freundschaften kann ich mir nicht erlauben, wenn ich erkennbar bleiben will.

Bis auf den Respekt vor dem Recht Freiheit trennt mich inzwischen fast alles von Nietzsche. Bis 30 reizten mich noch seine bunten Wortbildungen, ab dann lernte ich unterscheiden mit Karl Kraus: die verblödende Wirkung des Malerischen und Musikalischen am Wort von seiner dichterischen Belebung.

Ich lebe mein Leben frei, nach seiner Devise, aber meine Sehnsucht geht auch auf Menschen: Als Sehnsucht nach Liebe und Freundschaft. Und auch Mitleid hat Wirkung bei mir, sowie, leider auch Bosheit. Ich spüre es weder als fremde noch als unerwünschte Kraft. Sie alle, die er als Ketten empfindet, fühle ich als zu mir gehörige Freiheiten. Bin ich auch nicht die Bewegung, so ist es doch Ich, was sich hier in Bewegung zeigt und - fühlt.

Was bildet er sich auf seine Einsamkeit ein? Wie oft hört man diese gelangweilt klingende Klage!- Hat er denn einen Wert außer der Freiheit, um dessen Verlust er klagen könnte? Eine Liebe, nach der er sich nicht einmal sehnt - legt sie das Ich doch in Fesseln -, wie könnte er die Weite und die Tiefe des Schmerzes erfahren, kennen, den er als ein Irgendwie von Einsamkeit nennt?

Ich sitze hier am Rand eines Arbeitslebens, von dem aus ich mit immer größerer Geschwindigkeit der Zeit ins Alter geschoben werde. Was kann mir einer sagen, um mir oder meinem Willen eine Richtung zu geben? Kommt mir schon frech vor. Denn ich bin frei in einer freien Republik, er schimpfte aus dem Willen eines Ruhmlosen zur Herrschaft heraus.

 

Im Schaufenster eines Antiquitätenladens, der selbst recht alt aussieht, sehe ich die Ölbilder eines provinzweit bekannten Heimat- und Establishment-Malers um 1900. Er nimmt seine Grün, Grau- und Brauntöne sehr ernst. Er malt versunken ins Motiv. Natürlich kommt er nicht gegen eine gute Farbfotografie an, und auch seine heimlichen Verfremdungs-Effekte sind locker von einem PC-Pinsel zu übertreffen. Aber es ist nicht nur die Spur, sondern die Komposition einer selbst -und wie anders als von Sehnsucht- bewegten Seele. Aber Abends sehe ich in die tausend verschiedenen Blätter meines Apfelbaumes hundertgrün. Was ist wahr? Was ist schön? Immer schöner, keine Antwort zu wissen.


Was soll ich mit 60 noch einmal in Nietzsche hinein schauen, der in einem Alter starb, in dem ich die  Wehmut, Ernüchterungen und den Beginn der Knochenmühle Alter noch nicht ahnte. In dem mir auch die Lust an dem verloren ging, von dem N so begeistert ist: Egomanie. Ich will ja immer weniger wollen, immer eher wissen.

Vom Wissenwollen habe ich aber schon viel bei Schopenhauer, Hannah Arendt und Sokrates bekommen. Philosophie interessiert mich daher ebenso wie Religion vor Allem, wo sie die sich einstellende Selbstgefälligkeit stören, wie es die Begegnung mit meinem Elias Richard Weber und einem geheimen Freund  vom Zweifel erreichten und erreichen. Gut zu wissen und zu erfahren, dass es auch noch Männer von Geist und Sensitivität und Zweifel -auch am Zweifel- gibt.

Der größte Teil ist Willenserklärung, der kleinste Suche nach Wahrheit. Wo das Bekenntnis beginnt, endet die Philosophie. So bei Kant, der an dem Punkt, wo die Gewißheit gleich Nichts ist, Gott "setzt", nämlich ohne Wissen glaubt. Sein Übersetzer Schopenhauer endet mit der Erklärung, dass das, was die Welt wohl ist, am Besten als Willen zum Leben zu begreifen sei. Sein -unphilosophisches- Bekenntnis geht auf Buddhismus hinaus: Wille sei Leiden und am Besten wäre es, Leben überhaupt zu vermeiden. Das Christen- und das Judentum erscheinen ihm wegen einer optimistischen Tendenz verächtlich. Verachtung? Das gefällt dem schimpfenden Egomanen Nietzsche, der nach dem Ende der Philosophie naturgemäß nichts Neues an Weisheit beizutragen hat, sieht man von den Lebensweisheiten einmal ab, die nach Schopenhauer ja so zahlreich sind wie Brombeeren im Herbst. Er nun entscheidet sich mehr für die optimistische Betrachtung des Lebens, um so seinerseits die Pessimisten, Christen, Juden, Buddhisten und Schopenhauer beschimpfen zu können.


Aber wie kann ein Philosoph des Willens, des Handelns glauben, dass die Menschen in Jahrhunderten angestrengten Nachdenkens, Fühlens und Handelns nicht schon herausgefunden haben, welchen Wert Freiheit hat?

Dass nämlich Freiheit im Fall ihrer Herrschaft zur Willkür von Herrschaft und zur Vernichtung drängt. Gibt es eine größere Freiheit als die, Freiheit und Leben des Mitmenschen zu vernichten? Dass Freiheit also nur Freiheit auch von Herrschaft sein kann, wenn sie die Freiheit des Anderen als gleichwertig voraussetzt und auch den Wert des Anderen als einen brüderlichen achtet.

 

Die Wut des Nietzsche gegen die Würde ist naturbedingt: Im Begriff der Würde der Person sind neben der Freiheit auch die beiden Werte Gleichheit und Solidarität mitgedacht, die dem Philosophen der Willkür so schwer in den Arm fallen.

Etwas hat er mit Marx gemeinsam. Den Wunsch, die Philosophie umzuwenden, die Werte umzuwerten, eigentlich: Philosophie, nämlich Liebe zur Wahrheit, in Lust an Willen und Macht zu verwandeln. Was wissen denn diese Spaaßphilosophen (nach Schopenhauer) denn, was wollen sie wissen? Auf jeden Fall nicht die ganze Wahrheit ! Nur, was nützt, interessiert gleichermaßen den platten Materialisten wie den platten Voluntaristen. Hatte sich die Philosophie unter Kant und Schopenhauer von der Religion befreit, deren Magd sie gewesen war, wird sie nun Sklave von Ego und Klassen-Ego, Hure aller Weltbilder.

Ist die Entfernung  zwischen dem Ideologen der Gemeinschaft und dem Weltbildmaler der Freiheit denn größer als die zwischen den Beiden und dem Philosophen, dessen Frage doch nach dem Sinn hinter Allem geht, der Wahrheit in Allem und mir?

Nur wenige Geister der Ausnahme hatten in früheren Zeiten die Gelegenheit, eine philosophische Haltung zu entwickeln. Nietzsche kam gar nicht in das Alter, in dem Philosophie nicht mehr Mittel irgendeines Glücks, sondern bloß Interesse am Wissen hinter allem Wissen ist. Karl Marx kam durch den Erfolg seines Glücksmodells nicht mehr dazu, sich weiter zu interessieren.

Ich will wissen. Das war der Inhalt eines anhand der grausigen Menschenmöglichkeit ins Fragen gestürzte Lebens: Hannah Arendt.

Heute im Zeitalter von Glatzen, Tribals, Rottweilern und der Mafia als Familenmodell wächst das Interesse an egomanen Ausrufungen der Willkür wieder. Nietzsche wird wieder interessant, Hamsun! Welchen Jux kann man sich auch aus einem Leben der Vernunft oder des Blues machen? Das Ich-Ich! des Nietzsche ist doch der philosophische Kulminationspunkt einer Gesellschaft von Synchron-Grillern und Superstars.(P.S.2022: Und schau an: das "Wir zuerst" des Mussolini-Fans Trump!)

Als ich auf dem Weg zum Brötchenholen mir meines Alters gewiß werde, mir all die Weisheiten vergegenwärtige, die man mir eben wegen meines Alters zum Lesen empfiehlt, denke ich: muß ich mich noch einmal ernsthaft mit dem Verräter an der Philosophie und Hypochonder des Ego befassen, der einen ganz besonderen Lebensentwurf aus sich ziehen mußte, wie es für gewöhnlich zwischen 30 und 40 geschieht, der eine wesentliche Wahnvorlage für das Hitlerprojekt und ein Lustbrevier für Faschisten lieferte?

Ach ja, Mussolini!? Die schwarzen Fahnen der Anarchie und die schwarzen Hemden der faschistischen Killertrupps. Wie kommt der Anarchist Mussolini zum Faschismus? Wie die Freiheit ins Mittelalter: wer ist freier als der Herrscher im Mittelalter? Und wo sind Volk und Knecht zufriedener als dort, wo Dein Platz mit Ketten und Rosenkranz gesichert ist?

Aus dem Garten singt die Amsel:"Freiheit!" Die Katze wischt sich den blutigen Mund und schnurrt: "Ja, sie hat Geschmack!" 

Von der Republik aus ist der Weg in die Welt Nietzsches nicht viel kürzer als der in die irgendeines philosophierenden Neandertalers, der noch keinem Cro Magnon begegnet ist. Natürlich ist der Mensch auch Tier! Aber was ist daran der Bewunderung wert? Er ist Ich! Aber was ist Du? 

Die Liebe hat sich an den spöttischen Sprüchen des Ego-Shooters in einem Vulkanausbruch von Einsamkeit gerächt. Was kann ein frei und in gleichem Recht geborener, eingebunden in eine solidarische Gemeinschaft, von einem nach Ruhm und Herrschaft kratzenden Professor lernen, der an Wagner das Verblödende, Musikalische liebt und nicht einmal so viel Freiheit der Vernunft aufbringt, den Beifall von Rassisten zu scheuen.

Und wie primitiv der Einwand gegen Gott! Ist er schon nicht in den Konzentrationslagern der "gottgläubigen" Menschenhasser gestorben, wie sollte ihn das Wort eines ins Nichts erigierten Willens treffen? Gott ist doch nichts als ein hilfloses Wort für das nicht erkennbare Ding an sich, bis zu dem -und nicht weiter- das geringe Wissen der Philosophie mit Kant vordringen konnte.

Wieviel Mut gehörte im Zeitalter des schwindenden Glaubens dazu, einen längst harmlosen, längst aufgegebenen Begriff in der Geste des Märtyrers zu zerreißen?

In einem in glühender Hitze liegenden Feld stechen arme rumänische und Roma-Frauen Spargel für die Guormetlutscher am Synchron-Grill. Vielleicht fällt einem von den Genießern etwas von Nietzsche dazu ein. Etwas Umwertung der Werte, oder Wille zur Macht? Natürlich nicht von Menschen, die der Herrschaft zu dienen bestimmt sind. Vielleicht etwas von freier Gestaltung des Lebens, etwa von Spargelatoren? Wer soll hier Dichter seines Lebens sein, wo Not und Vertrag nicht einmal Zeit für eine Frühstückspause lassen? Das wäre doch Allzu-Nietzsche.

Der alte Witz hat etwas Wahres: "Was Gott!? Nietzsche ist tot!-"
Was wäre schlimmer?

Sokrates zu Nietzsche

Unter meinem Apfelbaum
hör den Nietzsche wüten:
"Freiheit" ruft der König Brüll,
streut verblühte Blüten.

Ich bin es, der mein Leben fragt,
wer wagt es mir zu raten!?
Welche von seinen Haßtiraden
hilft mir, wenn mein Tod einst tagt?

Wo Wut und Wille in die Werte schlägt,

 

nicht Schmerz noch Trauer sich im Ehrgeiz regt,

wo schillernd starke Worte wehn

Herz und Verstand sich nur um Wollen drehn

will ich (mit Hannah A.) -

verstehn.

Schopenhauer zu Nietzsche

Was kann einen Menschen so gegen Mitleid aufbringen? Seltsamer Thersites, der "Freiheit" ruft und "Herrschaft" zugleich.-

 

Nun auch ich befürchte, dass bei Heraufkunft der Republik das wohlgeordnete Gefüge der feudalen (heute sagt man wohl "faschistischen") Ordnung des Terrors abgelöst wird, wie wir doch in Frankreich gesehen haben. Ein Dschungelbewohner ruft nach der Herrschaft der Bestie... Das ist doch: dem Menschlichen das Unmenschliche entgegen setzen! Spaaßphilosophie!-

Wäre er Philosoph, so wüßte er aus meiner Preisschrift davon, dass das Pendant zum Mitleiden nicht der kollernde Egoismus ist, sondern die Lust am Bösen, Schadenfreude.

Gewiß, der Mensch ist Fabrikwaare der Natur und muß durch eine starke Ordnung gebändigt werden. Aber der Sinn des Lebens, das "Was" daran, ist eben nicht das Streben nach Macht, sondern nach meiner Entdeckung dumpfes Wollen, Wille zum Leben überhaupt, und das ganz und gar. Und auf der anderen Seite der Münze ganz und gar vom Willen freie Erkenntnis. Wie kann Einer so unverschämt sein, nach meiner Entdeckung des Willens zum Leben als dem, was Leben "an sich selbst" ist, diesen umfassenden Begriff auf einen seiner Aspekte zu strammieren und aus dem Philosophieren ein Moralprotzen und Unmoralprotzen zu machen wie in den unseligen Zeiten vor Kant oder Sokrates, als der Mensch noch unter gewölbter Stirn und grunzend ins Feuer blickte.

Und wer noch nicht genug hat, dem sagt  Nietzsche ein besonders schmutziges Bröckchen Willen aus seinen Schriften  als Schimpfwort: "Polnische Juden"


KW 15.5.2011

1.Mai 2011 Gleichheit

Von der Gleichwertigkeit der Person zur gleichen Entlohnung. Wer will das noch? Das denke ich vom Standpunkt eines nach Oben Gelangten aus.

Und bin überrascht von der Begeisterung der alevitischen Familien zum 1. Mai. Hier gibt es ja Hoffnung! Hier geht es noch um gerechte Teilhabe.

Wie war das damals? Wie war das vor dem Abstieg vom gleichen Lohn zum gerechten und vom gerechten Lohn zur Leistungszulage, zur Spaltung der Beschäftigten in Privilegierte und Underdogs? Das Bewusstsein ging doch auf eine gleichmäßige Eroberung  eines größeren Teils am gesellschaftlichen Wohlstand.

Mit der Liebe und dem Familienglück setzte sich der von Adam Smith, Karl Marx und Friedrich Nietzsche gleichermaßen anerkannte Egoismus und Familienegoismus gegen das christlich-anarchistische Solidaritätsgefühl durch. Die Partei wurde vom Organisationsinstrument von Ideen zur Beförderungseinrichtung von Funktionären und zur Versorgungsanstalt von Freundes- und endlich Familien-Clans. Wir ließen es uns nicht immer ungern gefallen. Kamen doch auch wir weiter.

So stehen wir wieder am Beginn der 60er Jahre mit dem Bewusstsein privilegierter falscher 50er. Noch wartet die Jugend geduldig bis besoffen an den Party-Stränden des all-inclusive. Es ist eine Frage der Zeit, bis sie unsere schönen Einkaufspassagen, unsere schläfrigen Kultur- und Gedenkparks, unsere gähnenden Gedankenarchitekturen einreißen.

Auch wir haben den gerechten Staat nicht mehr ernsthaft gewollt. Es geht eher um Polizeischutz für Privilegien. Der 1. Mai ist uns eine Bußpredigt. Was werden sie damit machen?

Musik quillt auf. Begeisterung bei den alevitischen Genossen. Hoffentlich kein Lied auf Väterchen Stalin! Es klingt begeistert. Wie etwas von Freiheit, Gleichheit und Solidarität, von frei Geborenen.

Klaus Wachowski 01.05.11

Karfreitag 2011 

Der Flieder duftet. Die Bienen summen. Und darüber zwitschert es fröhlich. Die Nachbarn kommen in die Gärten. Ich glaube nicht, dass sie, wir heute Jesus ermorden könnten.

Und doch geschieht es jeden Tag an jedem Ort, in jedem Kinder- und Seniorenzimmer.

Laß die Blüten fallen, Quittenbaum! Sie sollen es nicht glauben können.

Wenn mit der Geburt die Freiheit eintritt, wie Hannah Arendt sagt, verläßt sie uns auch wieder mit dem Tod. Bethlehem und Golgatha.

Aber auch Not und Notwendigkeit kommen mit der Geburt, enden im Tod.

Und der Hauptmann, der sah, daß er mit solchem Geschrei verschied, sagte: "Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen." (Markus)

 

Nietzsche haßt diese Geschichte, weil er die Freiheit unter der Moral leiden sieht. Ich liebe sie, weil sie mir die Freude an den Menschen bewahrt. Nietzsche ist ja nicht besonders philosophisch, wo er seine Wut an seinem Lehrer Schopenhauer ausläßt. Dort war Leiden und Mitleiden, wenn auch ins Pessimistische, Buddhistische interpretiert. Dieser wollte fröhlich - herrschen. Schopenhauer hätte dem Willosophen einiges an Menschlichkeit zu sagen gehabt.

Mir gefällt der Christengott in seiner ohnmächtigen Sympathie gegenüber den Menschen besser selbst als ein Buddha, der ihm rät, lieber doch nicht zu leben.

Ja: mit der Lust kaufe ich den Schmerz ein, mit der Liebe den Verlust der Liebe, mit der Freiheit die Einsamkeit. Mit der Freude am Menschen kaufe ich die Enttäuschung durch Menschen ein. Nun: Glaube, Liebe, Hoffnung -auch ohne Gott-: was hält uns sonst am Leben?

 

Die Alternative ist Leere. Im Schmerz von Leben und Liebe mag man sie vorziehen. Ansonsten muß man schon ziemlich leblos und lustlos sein, das Geschenk des Sonnenstrahls, des Flieder, des Gesangs der Vögel am Morgen zu verzichten, als sei es Zeit ins Bett zu gehen.Und das gilt so wohl auch im Markgräflerland, mit und ohne Sychrongrill des Johann Lafer.

 

24.04.11 Klaus Wachowski


Der Tod aus dem Rachen des Bösen

Wer hat schon Angst vor dem nicht-sein!-
Aber, wem Liebe widerfuhr, der hat wohl Angst vor dem nicht mehr bei Dir sein.

Von daher bekommt der bore-dumme Ausspruch eines Terroristen:
"Ihr habt Angst um Euer Leben;
wir keine vor dem Tod."
diese unmenschliche und natürlich fern von Gott brüllende Dimension.
Und auch der Buddhismus hat da nicht begriffen.
Ich aber höre all die Angst des Menschen in dem Schrei:
"...Warum hast Du mich verlassen!?"

26.3.2011 

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