Montag, 6. Mai 2019

Aus 2001

Images,
(Nb. 2019: Wer dachte an hinterlüftete Fassaden?)

Die Geste des Triumphs, wertvoller als der Triumph. Die Geste der Verzweiflung: erhaben. Du winkst mir von fern bedeutend und deine Braue wölbt sich über einer Eiszeit-Höhle.

Wir begegnen uns in durchdesigneten Glaspalästen sehr geehrter Damen und Herren. Sie geleiten uns in authentischer Freundlichkeit in eine Geisterbahn der Gesten.

Strassen der Macht

Auch die Republik ist stets gefährdet: Mehr Freiheit will nicht nur der Bürger, auch die Willkür der Clique, mehr Ordnung will nicht nur der besorgte Bürger, auch der Lynchmob. Alle, die den Austausch von Meinungen in Räten und Parlamenten für Gequatsche halten.

Ich habe einen Tagtraum:

Ich bin wieder auf den Strassen der Macht. Die Anmaßung kommt mir entgegen. Mit Gefolge. Catilina, die Ratte und der Feigling Cäsar. Ich beiße mir auf die Lippen und gehe zur Seite.

Am Abend treffe ich Dich mit Deiner Freiheit.

Und wir gehen den Weg, der uns gehört und allen. Und wenn die Clique kommt, stehen wir fest. Wir spüren, wie mit der Zustimmung der Ungefragten das Recht wächst und die Freiheit. Der Spuk vergeht.

Dem Tag folgt die Nacht.
Aber der Nacht folgt der Tag  .            .

Hellblauer Himmel,

ein Strauch bietet Cluster von roten Beeren, eingetaucht in Licht. Die Kälte zwickt an den Ohren: Hallo, Klaus! Ich, die Welt, bin auch noch da!

Ein Kopf voll sperriger Projekte, ein Bauch voll Musik, gehe ich weiter und weiter , fern von mir, mich beobachtend.

Ist es nicht schön, Ihr Dichterinnen und Dichter, die Welt in Worte zu gießen, Essenzen von blau, rot und Licht, Ihr Philosophinnen und Philosophen, die Nebel des Ungewissen in kühlem Urteil aufzulösen.

Es ist auch schön, das Gewicht des Körpers in den Füssen zu spüren, Dich selbst in der Berührung und im Widerstand einer körperlichen Arbeit.

Und das Fließen, Ein- und Ausatmen von Denken und Wollen im Gespräch.

So gehen wir und kommen. Kommen und gehen...

Frühjahrsdepression

Vor mir der Tage graue Strasse.
Der Himmel nasse Hoffnungslosigkeit.
Des Gestern aufgetürmte Masse,
leer geht das Heute in die Zeit.

Was ich erhoffte von der Morgensonne
Und wärmer trug im Abendlicht,
dass Freude unter Menschen wohne,
ich seh es nicht.

Christof,

ich sehe deine Kupferschmied-Ungetüme aus „unserer“ Zeit. Du lebtest dein, ich mein Leben. Der Wirt dieses Hauses kaufte und half dir zu einer schmalen Strecke Selbstbewußtsein. Schon lange bist du tot. Aber deine Kupfer-Reklame,- hast du vor Stolz vibriert oder verächtlich gelacht (wie gleichgültig es heute ist!)?- ,sie erwärmt meine Erinnerungen. Ich bin nicht mehr helfen wollender Partisan, nur ängstlicher Veteran mit zu großer Klappe. Dich hat eine große Sehnsucht an Heilung gehindert. Die Erinnerung an dich und andere wird mir die Sehnsucht warm halten. Das wäre doch was: wenn Du an meiner Stelle hier säßest und mit großer, großer Klappe für eine bessere Welt Kupferschmied und Genie-Reklame machen würdest.-

Körperformung durch Wickeltechnik

Die AZ vom 5.5.01 schreibt: „Der Morgennebel legt sich auf die Schafhäuser Felder und die Masten stehen stramm Spalier. Im Zwielicht scheint es, als fließe Strom direkt aus dem Himmel, um Rheinhessen mit Energie zu versorgen...Treibt eine Diebesbande aus Osteuropa wieder ihr Unwesen in der Alzeyer Region? Die Polizei vermutet, dass eine nächtliche Einbruchserie auf das Konto einer solchen Gruppierung geht.“

Jetzt ist es wieder gut gefüllt.
Autofahrer, dagegen, „stehen fassungslos an den Zapfsäulen“. Sprit 2,20 DM.

1.Mai 2001

Die Dichterin Hella Bausch und der Arbeitslosenvereinsarbeiter Toni Kopf, beide ein Leben der tapferen Solidarität am unteren Rand der Einkommensgesellschaft führend, hören am ersten Mai erstmals das Polizeiorchester spielen. Bisher war der katholische Posaunenchor Tradition, der-Gott sei Dank?- auch nicht die Internationale spielte. Aber in diesem Jahr gibt es selbst die „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ nicht mehr. Ich würde auch nicht mitsingen, denn verdi ist mir zu sehr Konzern, als dass ich neben Macht auch noch Solidarität hören könnte. Gehobene Klassik am Sektstand. Die Anstecknadeln haben in diesem Jahr etwas Glattes von Profi und Routine.

Das Verhältnis Volk zu Funktionären ist auf diesem Platz bei diesem herrlichen Wetterchen nun gänzlich zu Gunsten letzterer umgeschlagen, weil man wohl doch glaubt, dass überall die gleichen Betriebswirte bestimmen. Da hilft es nicht, dass die Worte etwas schärfer sind als in den Jahren der indirekten Rede. Etwas mehr starker Staat zur Regulierung und etwas mehr Solidarität. Schimpfe gegen den Edelkanzler, ein einziges -erstes- Spontanflugblatt eines Arbeitslosen macht die von Staunen erregte Runde. (Das mit den Arbeitslosen klingt doch sehr nach Wirtschaftsbossen. Macht das das vierschrötige Kanzleramt? Wer hat schon wieder die roten Dessous verschlampt? Bleibt nur die -etwas große- deutsche Unterhose? Das sind Streifen nicht schwer zu begreifen, sind wir doch alle nur , ob über oder unter Menschen: Menschen.)

Da sind: Innenminister, Landrat, Bürgermeister, Verbandsbürgermeister. Der Bürgermeister und frühere Lehrer (wer darf froh sein?) versucht Beifall für einen einsamen Monolog  zu erhalten. Ohne Zweifel ein Sozialdemokrat. Aber Chef muß sein.

Der Wille zur Macht ist dem Röhrenblick eines panischen Philosophen zu verdanken. Auf ihn traf er zu, mit ihm wollte er den ihm minderwertigen Willen zum Leben des weisen Arthur Schopenhauer auf eine imposante Stufe stellen. So erfand er den Übermenschen, die Vorstufe zum Affen. Immer wird es  Monologe geben und dagegen die Autonomie von Gesprächen, Mikrophone und dagegen den frischen Wechsel von Rede und Gegenrede in den Gesprächen des einander Zuhörens.

Ich bin aber auch immer unzufrieden. Auch ich wäre mit mir zufriedener, wenn ich zufriedener wäre. Ich erwarte mehr und immer noch mehr Achtung vor dem Einzelnen. Das kommt heute eher aus der Kirche, die über den Gedanken von der göttlichen Autonomie der Gläubigen Menschenwürde und Solidarität gelernt hat und deshalb von Sekten und scharfen In-Pressure-groups angefeindet wird, mit dem Ziel, sie in eine Zwingburg des Fühlens zurückzuverwandeln. Alle Herzlosen treten an, aus dem Seufzen vom Kreuz her einen Exorzismus gegen die Autonomie des Menschen zu machen. Aus dem Glauben an die Liebe ziehen sie Hass. Kinder ohrfeigen, Muttertag, Todesstrafe und Erleuchtung durch einen Herrn, der dies immer ablehnte, denn er wollte Freund, das ist: Bruder, sein.

Er sagte Caritas, sie wollten Charisma. Weil er nicht Übermensch, nur Mensch sein wollte, mußte er ans Kreuz.-

Was wohl der Millionär denkt, der da so lustig um die Erde fliegt? In Zeiten einer stolzen Republik wäre statt eines Finanzmanns ein Politiker der erste Gesandte im schwarzen Vakuum gewesen. (Gar eine Sozialhilfeempfängerin ist - warum wohl?- nicht denkbar.) Der Millionär freut sich über den erfüllten Lebenstraum und eifrig lächeln die Minister der StaatsGmbH und Co KG. Die Konkurrenz schabt sich. Ein warmes Gefühl der steuerlichen Absetzung und der Public Relation muß sich hier und nun aber unausweichlich mit dem Spott von Kosmonauten bekannt machen. Abschätziges Grinsen hinterm Helm, übler Scherz in fremder Sprache, Lachen. Er hat doch hoffentlich schon bezahlt, nicht dass etwa Steuerfahndung den Count-Down auf Konkurs stellt.

Auch er war Kind, sah den Himmel über sich. Oft war der andere einer Nobelkarosse dazwischen. Auch hörte er die Gesänge der Frühlingsvögel. Oder war es das Juxen von Hausdamen? Er mußte nicht mit anhören, wie sich die Alten über zu wenig Geld zum Leben(=X) stritten. In fernen Weltenräumen stritten sie wohl über zu wenig Geld für Y. Wollte er dorthin oder nur weg? Hoch über den Menschen sein? Das will auch manche/r Arme/r. Dieser/m würde es allerdings genügen, dort anzukommen, wohin zu stürzen sich jener „Tito“ fürchtet.

Die Erde von fern sehn: nach einer Stunde wird es langweilig. Es ist ja keine japanische Mondanschauungs-Party mit feinsten Nervenerzitterungen, sondern Verlust von Erde unter deinen Füßen und von menschenerfüllter Welt um dich herum. Du öffnest die Augen. Aber hinter dem Fenster geht keine Sonne über einem Meer von Leben, Stimmen, Farben, Sehnsüchten, Leiden und vielen kleinen spitzen Freudenschreien und Seufzern auf. Nur ein ins Nichts gleißendes Licht als einziges eintöniges Wort, das nur sagt, nichts antwortet. Wie viel Vorstellungskraft brauchst du, um über die fliegende Gefängnishaut hinaus zu fühlen? Stell dir vor: die Bild und Tonübertragung fällt aus.-

Auch uns ist die Einsamkeit bekannt, auch in liebevollen Zeiten. Wir verlieren sie, aber alsbald steigt sie aus guten Nächten wieder auf, Wolken der Depression regnen über Nebenhöhlen aus. Wer kann sich in einen Millionär versetzen, dessen schrecklichste Vorstellungen gleichbleibendes Einkommen und Finanzamt sind, wer in eine Unterstützungs-Abhängige, deren größtes Glück das Erreichen unseres Not- oder Ärgerstandes wäre? Wir alle sind von -für manche leider, leider- gleicher Bedeutung, die vom Standpunkt der Weisen einmal winzig, einmal ungeheuer ist. Laßt doch Alle den Anblick der Welt von Sojus aus genießen und mich vom Café‘-Tisch aus.

Die Physiker lauschen. Hast du auch schon das Echo des Urknalls gehört? Es soll kein hohes Wimmern, eher ein Wummern sein. Eine Art Ommmmh.

Wenn man seine Kinder in eine anthroposophische Schule schickt, ich sag dir: Eurhythmie!... In drei Leben von Äther-, Astral- und Ich-Leib meditieren hilft nicht immer so schnell wie Aspirin. Aber es gibt so ein leuchtendes Gefühl von Seelenformung durch Wickeltechnik.

Ein Wunder, das Leben erleben zu dürfen! Und erst, sich mit einer kritischen Vernunft aus den klammen Schlafsäcken nächtlicher Räusche zu wickeln...

Wandlung

Das esoterische Kathreinerle dreht meinem lange aus den Augen verlorenen Freund die Luft ab. Er glaubt, die Stimme Gottes zu sein.

Er war etwas ideologisch, sonst aber konsequent Anarchist. Wie viele andere Freie ging er sogar einmal soweit, einem Hakenkreuzheuchler zu helfen.

Ich war ja ein Verräter, zum Staat zu gehen. Eines Nachts nach Kneipe beschwor er mich, der Sache treu zu bleiben.

Wenn später autoritäres Pressen und die Feigheit der Unterwürfigen das Leben zu einer Tretmühle machten, erinnerte ich mich gern an ihn und seine Treue.

Er zog in den Osten. Man fürchtete, ihm würde etwas zustoßen: ein Anarcho unter Nazis... War es das menschenleere Schweigen dieser Wüste, das ihn in die Esoterik trieb?

Wenn ich von der Stimme Gottes höre, sehe ich ein Herz ersticken. Vielleicht kommt es wirklich nicht auf die Vielen an. Aber die wenigen Gerechten...

Würde ich glauben, ich betete zu Gott, ihn von der Einsamkeit zu befreien, die ihm so göttlich erscheinen.

Aber: Was hatten wir schon miteinander zu tun?

Unter Herren und Knechten glaubten wir Menschen.

Frühe Erinnerungen

Wieder denke ich an die Menschen, die aus den Türmen des WTC sprangen. Unsere Lieben, Freundschaften, Nachbarschaften, unsere Welt sind unter den keuchenden Bewegungen und oft brutalen Schlägen des Lebens nur selten tragfähiger als ein Spinnweb von Moral. Unsere Gedanken, unser Gedenken können den Mittelpunkt eines zerrissenen Gewebes nicht ersetzen. Es wird ein anderes, im Gedenken festeres Netz. Es hält uns in unseren paar Tagen noch etwas weiter. Du bist nicht ins Nichts gefallen. Deine Angst, dein Schrei nach uns schwingt in den zerrissenen Fäden nach. Wenn wir dann einmal unter einem hoffentlich weniger gräßlichen aber ebenso unaufhaltsamen Schnitt des Lebens fallen: ist es nicht jetzt schon ein Trost, daß das Netz sich weiter und weiter knüpft durch alle Räume der Zeit? Irgendwann wird das All einmal zusammenfallen, um sich neu zu entfalten. Was von uns da ist, wird auch dort wieder sein. Anders. Auch dort wird Grauen sein, aber auch Wunder. Ist es nicht das größte davon, das Netz der Liebe, im Baum des Lebens?

Ich weiß es nicht, aber es ist eine schöne Vorstellung.

Absturz

Mit dem PC gehen einige Dateien unter. Warum überhaupt schreiben?

Warum überhaupt leben? Wie wenn die Blüten sagten: " warum überhaupt blühn? " Was bleibt als eine Erinnerung, die selbst bald Staub ist? Schopenhauer hat schon recht. Es ist nichts als Wille zum Leben, sich noch im hintersten Winkel einer erinnerten Ahnung weitergetragen zu phantasieren . Und die Rückseite Todesfurcht, wirklich nicht einmal in einer Erinnerung zu sein, die mich meine Gefühle ausrufen läßt, das Kind sich in eine Baumrinde schnitzen, die Alten sich Kinder wünschen, Häuser errichten läßt. Besser, nie geboren zu sein? Nein! Es kann einmal angebracht sein, sich in die Schmerzlosigkeit zu flüchten. Aber auch die Selbstmörder wissen: das Leben ist nicht, weil es schön ist, schön, sondern weil es Leben ist...

*

Am Feldrand warten die Raben. Richten wir uns auf den Winter ein. Auf kalter Tage und dunkler Nachmittage Freuden duftender Erinnerungen. Eine davon heißt Bangla Desh von George Harrison.

Neben mir wächst es jung

Ich verstehe nicht. Dieses Lachen zwischen Verlangen und Heimweh nach Geborgenheit. Ich verstehe es und möchte trösten. Aber es ist nicht mehr meines. Mein Leben hängt als Tropfen an einem zitternden Zweig. Je nachdem, von welcher Seite du kommst, siehst du die Welt darin, ein Licht oder die Nacht. Du bist noch als aufsteigendes Verlangen in den Dunst der Wolken unterwegs, vom Wind des Willens hierhin und dorthin getrieben, von der Schwere einer Vergangenheit oder eines blinden Schicksals heruntergeschlagen, schon auf dem Weg in die unterirdischen Flüsse oder erst noch glücklich in der zweiten Chance eines sich auflösenden Tautropfens. Ich bin gefüllt und spüre schon wie Gewicht an mir zieht. Dieses Aufstreben und Suchen ist mir fern geworden. Aber ich sammle noch Licht, Nacht und Welt in mir. Freue mich auf Morgen -, Abendrot, Mond und Sonne. Wenn nicht ein  Vogel an dem Zweig schüttelt, gehe ich vielleicht noch einmal den Weg zurück in die Wolken..  

Wolf

Manche, die nicht Wolf sein können, wollen wenigstens Ratte sein. Hauptsache Raubtier. Menschen wollen oft nicht Mensch sein. Ich und Du als Werte erkennen, das scheint mir einer der Unterschiede zur Tierwelt zu sein. Das Tier liebt oder haßt. Werterkennung, Achtung, Gleichheit, Gleichwertigkeit der Person kann ein Tier nicht erkennen.

Wieder einmal spüre ich die Sorge um ein Kind wie den Druck von Nebel auf Lungenflügel. Teer auf meinen Federn. Ich muß durch das Gestrüpp alltäglicher Anforderungen gehen, um die Sorgen abzustreifen. Da lauert die Katze Depression.

Das Sonett vom Loslassen

Wie sich die Athmosphäre schwer
unsichtbar schlingt um Land und Meer,
die Erde antwortet mit Beben,
Furcht und Schrecken dringt ins Leben.

Wie zähen Schlaf der Mond aufwühlt,
im kranken Herz das Fieber quillt,
Wie Macht sich in die Freiheit preßt,
der Freund den armen Freund verläßt.

Wie Liebende von Sehnsucht bluten,
Eifersucht in Höllengluten,
Wie Todesangst ins Leben treibt,
Wut sich in Kerkerwände schreibt.

So zuckt mein Herz im Meer des Lebens:
Sie gehn, ich rufe mich vergebens.-

Start

Hinter dieser von Leben quellenden, brüllenden Stadtkulisse schieben sich schweigend riesige Wolkenberge aneinander vorbei, breitet schweigend sich der Himmel aus. Ein warmer Wind berührt deine Haut.  In deiner Seele schlägt ruhig dein Herz. Du hast einen Streit hinter dir und das Gefühl, dass es noch weit ist bis zum nächsten. Einatmen.

Ausatmen. Deine Gedanken schütteln die Müdigkeit aus den Flügeln und steigen auf. Sie sehen weit über den Tag hinweg in einen Kindergarten oder auf ein Grab und kehren zurück.

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