Donnerstag, 2. April 2020

2009 zu Mio, mein Mio

Lindgren Mio mein Mio

Nach Kato

Der Name des bösen Ritters müßte eigentlich umgekehrt heißen: Cäsar. Nach dem Sieg über Kato kommt der Friede in Mios Land. Die düsteren Erden überziehen sich mit grünen, von Blumen duftenden Wiesen, im Himmel fliegen gesellige und fröhliche Vögel, die Wolken ziehen durch ein strahlend blaues Himmelsmeer.

Ein sanfter Wind weht aus der Erinnerung herüber.

Einsamkeit und Trauer legen sich schwer auf das Land.

Das Böse ist vernichtet, die Welt des Helden leert sich. Was kann er tun? Er wird nicht gebraucht. Wenn er zum Himmel oder zum Horizont schaut, findet sein Blick keinen Halt. Das Herz ertrinkt in Erinnerung und Sehnsucht. Die Freunde sind in Familienverbänden aufgesogen und verbringen den Tag mit Sicherung und Vermehrung von Besitz und Nachkommen. Das schwarze Korn Einsamkeit bohrt sich in den Grund seiner Seele. 

Wie kommt es, dass er in die Liebe fällt? Wir wissen es selbst nicht mehr. Ein gewisser Schmerz von Einsamkeit scheint die Bedingung. Ist es nicht so, dass sie die Sinne für den Ort des Glücks - und Leidens - schärft, wie der ausgetrocknete Körper die Sinne für den Geruch von Wasser es tun soll.

Vielleicht immer treffen sich zwei Einsame in der Liebe. Und was ist Sexualität, der Verführer, anderes als Sehnsucht, als Ausdruck der Einsamkeit? Erlischt sie doch in den Wassern des Glücks.

Nun ist Mio alt. Umgeben vom Glück seiner Familie verabschiedet er sich. Er muß keinen "letzten" Kampf mehr führen, um die Welt aus der Not und sich selbst aus der Langeweile zu retten. Er muß seinen Besitz an Glück wieder zurück geben. Leiden. 

Die Wege der Familie trennen sich. Die Entfernungen werden größer und als Gewinn an Freiheit und Rückkehr der Einsamkeit fühlbar. Das Schicksal bricht in den Frieden ein und schlägt große Wunden. Die Erinnerungen reichen nicht mehr aus, die Trauer um den Verlust zu neutralisieren. 

Ihm bleiben Tag und Traum. Nun wartet er auf den Tod. Er hütet sich davor, zu sehr über das Unvermeidliche zu klagen. Aber er verschweigt auch seinen Schmerz nicht. Was an Glück der Liebe, Freundschaft und Offenbarung der Natur geblieben sind, nimmt er als Geschenk mit in seinen Schlaf. Und die Erinnerung beschert ihm einen Traum voll Freude und Schatten der Sehnsucht dazu. So fliegt er mit seinem Pferd auf diesen dünnen Strich am Horizont zu. Manchmal hört er die Stimme seines Freundes und seiner Gefährtin im Wind. Er dreht sich um und wird vom Licht aus der Zeit fast geblendet. 

Von unserem Tisch am Wegrand aus wünschen wir ihm noch einen weiten Weg.

*

Andere hatten sich verloren, bevor sie etwas oder jemanden gewinnen konnten. Auch sie gingen einen Weg. Das Glück, das sie suchten, war auf der Rückseite Leid. Sein Name war Ich. Sie fürchteten die dunkle Seite und flohen daher auch vor dem Glück in die Zwischenwelt des Überlebens, der Pflicht, des Erfolgs. Die Gesänge und die Flüche, die Schmerzens- und die Lustschreie der anderen hörten sie lächelnd und staunend. Auch sie warteten auf die letzten Stunden, während sie die Gegenwart nahmen, wie sie war. Ungerührt. Auch sie näherten sich dem Horizont. In der Nußschale Alltag trieben sie dahin. Überholt von den Glücklichen, vorbei an Gestürzten der Hoffnung. 

In einem Augenblick der Stille begegnet dem Verzagen die Hoffnung. Ein Mensch tritt ins Leben oder hinaus in das nächste. Lassen wir uns fallen. Die Sonne läßt das Stäubchen schweben. Sehen wir hinaus. Hinein...
 

06.09.09 Klaus Wachowski

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