Mittwoch, 1. April 2020

Glocken aus 2009

Glocken

-Ein Angebot der Bäckerei: "Schmandliebe" ist keine Puddingbrezel.-

In einem Lied von Klezmer-Revolution singt der Chor: "Vor Eurem Jahwe, Allah, Jesus habe ich keine Angst. Aber ich habe Angst vor dem, was Ihr im Namen Eures Gottes tut." 

Wenn Eure Glocken läuten, wenn Eure Priester singen und tanzen, wenn Eure Weisen zur Feder greifen, dann habe ich Angst um mein Kind. 

Wenn der Volksfreund weint, der Dichter zu psalmodieren, das Karusell sich lustig zu drehen beginnt, auch dann fürchte ich Dich, Mensch. 

Es sind nicht nur die Stammtische.

Was geschieht in einem Dorf in Rußland, wenn sich die Kirchenportale unter dem Läuten der Glocken öffnen und die Frommen sich sammeln? Die Juden verstecken ihre Kinder im Keller. Und wenn das Rodeo vorbei ist, steigt der KuKluxKlan auf die Pferde. 

Vergießt keine Träne für schöne Erinnerungen, wenn Ihr der Zukunft schreckliche ersparen wollt. Kein Gott will, dass Abraham seinen Sohn schlachtet. 

Eine Bekehrte weiß zu berichten, dass Gott für jeden eine persönliche Aufgabe habe. Sollte es irgendwo in den Wortschluchten Deines heiligen Buches stehen, sage ich Dir: das hat der teuflische Ehrgeiz eines Religionspoeten hineingeschmiert! 

Wenn es Gott gibt, hat er Dich zum Leben, nicht zum Funktionieren erwählt. Und schon gar nicht dazu, seine Geschöpfe zum Funktionieren zu bringen.

*

Es war einmal ein Kind. Es wurde mit Schmerzen empfangen und in Sorgen gewickelt. Unter Klagen der Mutter und Schweigen des Vaters wuchs es heran. So wünschte es, schon bald in die Welt der Freien und Sorglosen entfliehen zu können. Es lernte junge Männer kennen, voll phantastischer Hoffnungen und animalischer Sexualität. Einige davon flogen leicht durch das Leben, sie aßen Junkfood, rauchten, soffen und ruinierten ihren Körper auf alle erdenkliche Weise. Das gefiel ihr. 

Sie gebar ein Kind in den Schmerzen einer natürlichen Geburt und wickelte es in Sorgen. Irgendwie kam sie zur Stadtmission. Anhand der Begeisterung eines Vorpredigers lernte sie, ihre Vergangenheit, Herkunft, Familie zu verachten, ihre Freunde zu verlassen und einen Herrgott zu lieben. Jesus, mit dem kam sie irgendwo nicht zurecht. Er war so chaotisch. Richtig okay war eigentlich nur der Vatergott, der wußte, wie man zu leben hat. Drüben bei den Baptisten machten sie Jesus zu einem König. Wo blieb da der wahre Gott? Und bei den Katholen gab es einen seltsamen Mutterkult, der einer Frau keinen Platz ließ, nicht einmal im Gehorsam.

Wo war nur das Kind hingekommen? Sie hatte es über fröhlichem Entsagen und Gotteslob völlig vergessen. Nun: es nahm keine Drogen, beging keinen Selbstmord und studierte, wie man reich wird, um die Familie aus dem Dreck zu holen. 

Wird er nun Arzt, Manager oder beliebter Schauspieler? Wer weiß? Seine Freundin wickelt ihr Kind in Einsamkeit.  In Erwartung des Reichtums, in Klagen oder fröhliche Entsagung der Mutter. Ich kann mir keinen Gott oder Jesus vorstellen, der so etwas will.

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Du fragst, was das denn für ein komischer Gott sei. Auch das weiß ich nicht. Ein komischer Gott als Bruder Jesus des komischen Menschen? Der oder die oder das würde mir schon gefallen. 

Es könnte zum Beispiel die Nummer 6 oder 79 auf Deinem Display sein, vorausgesetzt, Du hätest Deine Seele auf Leben upgedatet. Der System-Administrator ist es jedenfalls nicht, auch nicht sein Arzt oder Guru. Irgendetwas, von dem wir uns kein Bild und kein Weltbild malen können. 

Ja: gerne wüßte man, wo nur der Glaube oder Nichtglaube bleibt. Möglich ist Aufmerksamkeit.

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Liebe ist kein verlogenes Versprechen, nur ist leicht stolpern in der Einsamkeit. 

A etwa. Er sucht wohl eine Begleitung durch die kalte Nacht Leben. Etwas davon spüren wir alle, wenn auch nicht so schmerzhaft wie er.

Oder B. Sie braucht eine Stimme, ein Lied im Schweigen. Tanzend gegen die sich schließenden Wände. Wer hielte ein Haus aus?

Oder C: Sie möchte das Wort von Dir aufgefangen hören, und zurückgespielt fühlen. Was wäre ein Garten ohne  Vögel?

Ein Teil der Liebe muß Ich heißen. Vom anderen singen die Ruhmsüchtigen.

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Klaus Wachowski 30.08.09

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