Mittwoch, 1. April 2020

Aschenputtel und das Glück 2009

Also, wenn ich da Bestzeit...

Märchen sind auch nicht besser als Barbie-Soaps.

An einem Hoftor hängt ein steinernes Gesicht, umrahmt von grünen, beschatteten Blättern. In früheren Zeiten hätte man ein bedeutend daher kommendes Bild davon gemalt und Worte wie Ewigkeit, Mythos und Größe in aufnahmewillige Köpfe gespült.
Es fehlt an einem Kind, darüber zu träumen. Und stünde es davor: Du würdest ihm die Welt erklären, -wie auch ich nicht anders tat. Man kann die armen Kleinen ja nicht der betrügerischen Welt überlassen, ohne ihren Verstand zu schärfen und -ihre Phantasie platt zu treten...

Einem reichen Manne, dem wurde die Frau krank. Die Ärmste verschied und das Kind weinte und blieb fromm und gut, wie es die Brüder Grimm liebten. Schon wieder sprang da eine Stiefmutter in den Reichtum und letzte sich und ihre bösen Töchter. Ätzend. 

Was sagt der König Kunde dazu? Nicht jeder hat ein Betriebswirt-Diplom. Der Gott der Brüder Grimm aber belohnte das arme reiche Kind mit Schönheit und bestrafte die Dummfaulen mit Häßlichkeit. Aber wer, der nicht Prinz oder ein Bohlen ist, konnte das unterscheiden? Das Mascara war wischfest und die Hysterie lächelte in schiefer Süße. Ja: schön und weiß waren sie von Angesicht, aber garstig und schwarz von Herzen. Ich sag nur: Party, party.

Was denkt da das Kind? 

"Wie schön, ein Märchen!" Es weiß aber, daß Böse oft auch häßlich sind. Und wie viele Schönheiten gibt es doch, die auch gut im Herzen sind, beten, sich verschleiern oder Ökoprodukte kaufen. Im Märchen ist alles klarer. Das macht doch seine Schönheit und gute Moral aus. Da rumst es im Orchestergraben der Gefühle und die Sängerinnen brüllen von Wagnerglück.- Weich wird der Gesang wie naßrasierte Oberschenkel. Komm, zieh die Vorhänge vor die Windschutzscheibe.

Wer mag es ersinnen, was sie ihr für Herzeleid antaten? Die schönen Kleider wegnehmen: - "schau, Germanys next Top-Model", spotteten sie und machten Handy-Fotos, wenn sie ihr die fetten Sahnestücke ins Adipositas steckten. Zum Joggen fuhren sie allein, klauten ihren mp3-player, schnappten jedes Sonderangebot, ohne die Prospekte weiterzugeben. Sie soffen und rauchten, dass es dem Hausfreund graute. Aber er traute sich nicht, etwas zu sagen, hatte er doch schon verbotener Weise mit ihnen geäugelt. 

Kurzum: sie war ein rechtes Aschenputtel auf jeder Conichi. Wer wollte mit so einer schon auf eine event-location. Selbst die krassen Mitschüler, die armen Würstchen die Hosen herunterzogen, Kippen auf Weichteilen ausdrückten und jede Gemeinheit ins Netz stellten, wollten sich mit ihr nicht abgeben. Tja: die lieben Kleinen von Bullerbü, die dem armen Schuster das Leben zur Hölle machten. Familiensinn nennt man so etwas bei der Camorra.

Das hätte also mal -ruckedigu- so recht ein Start ins Kriminelle sein können, zum Beispiel Hiphop und Amok oder wie hieß dieser koksende und singende Selbstmörder nochmal, aus dem die pubertierenden Girls ihren Jesus machen?

"Töpfchen, Töpfchen schüttel Dich", so seufzte sie oft unter den Brieftauben, die muntere Grüße der Mutter aus Kasachstan brachten, "wirf Gold und Silber über mich!" Niemand wollte ihr das Märchen vom Wunderbaum glauben, als die Steuererklärung fällig war. Sie war so weit, Amok zu laufen. Wo kämen die Märchen hin, wenn RTL bestimmen könnte!

Also: Gold und Silber ins Kröpfchen, her mit der Axt, um die Handys kurz und klein zu schlagen, damit die Mutter nicht noch auf die Idee kommt, Töchterchen einem Ölprinzen zu versprechen. Blutige Schuh im Schlußverkauf.

Wie schafft es das Aschenputtel nur, den neidischen Augen zu entwischen und mit dem von Deutschland gesuchten Superstar cubanische Zwischenknie-Tänze zu tanzen? Das Königshaus war geschockt. Aber als sie zurück kamen lag Aschenputtel mit ihren Noname-Klamotten in den Chips und im TV liefen elend lange Talk-Shows.
 
*

Mal ehrlich: Das stimmt so ja alles gar nicht. Die beiden Schwestern waren  doch ganz okay, so fromm und gut, so arbeitsam und unverdrossen, als je zwei Kinder auf der Welt gewesen sind: Schneeweißchen war nur stiller und sanfter als Rosenrot, die linke Zecke. Sie wollten sich nicht verlassen, so lange sie lebten nicht. Und was setzte die arme böse Witwe und Stiefmutter hinzu? "Was das Eine hat, solls mit dem Anderen teilen." Doch auch nicht ganz so schlecht, das Godesberger Programm.
Denk einmal: Als sie einmal im Walde übernachtet hatten und das Morgenrot sie aufweckte, da sahen sie ein schönes Kind in einem weißen, glänzenden Kleidchen der Brüder Grimm neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf und blickte sie ganz freundlich an und ging in den Wald hinein. Die Mutter aber sagte ihnen, das müßte das Englein Aschenputtel gewesen sein, das gute Kinder bewache und Hexen in den Backofen stoße.

Oder: hielten sie nicht das Hüttchen der Mutter so reinlich, dass es richtig geil war, hinein zu schauen? Im Winter zündete der Liebling der Märchendesigner, Schneeweißchen, das Feuer an und hing den Kessel an den Feuerhaken, und der Kessel war von Messing, glänzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Da konnte Aschenputtel doch auch mal ein paar Linsen aufsetzen!

Wenn das Lämmchen blökt, steht der Bär vor der Tür und will Schneeweißchen zu Hochzeit holen. Soll sich die Mutter da etwa nicht freuen und die pariser Pumps über die Bauernfüße quetschen? Was heißt da Ruckedigu? Blut im Schuh kann jeder sagen, ders faustdick hinter den Ohren hat. "Schneeweißchen und Rosenrot, schlägst Dir den Freier tot", tobt da der Bär beim Bonding. Rosenrot aber kriegt den Bruder und ein Nußtörtchen dazu.
Was will der Zwerg dabei, Sack und Bart!? Morgen bringt er Aschenputtel der Königin ihr Kind. Unverschämtheiten ruft er: da, die beiden gottlosen Mädchen packt, das sind für Euch zarte Bissen, fett wie junge Wachteln. Der Bär gab dem gott- und erfolglosen, boshaften Geschöpf einen einzigen Schlag mit der Tatze, und es regte sich nicht mehr. Weinbruder oder Loser: So muß man mit abwesenden Vätern umspringen! 

Nun kann man die Schätze teilen, die der Zwerg zusammen getragen hat. Nur das Aschenputtel, bulämisch oder adipös bis auf die Knochen, will alles für sich allein...

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Schneewittchen gibt ihrem Prinzen einen giftigen Apfel zu essen, weil sie endlich herausgefunden hat, wer ihren Zwerg getötet und den goldenen Ball in den Brunnen hat fallen lassen. 

Wenn nun schließlich alles sich zum Besten gewandelt hat, kommt die Langeweile. Sie schlägt die Decke zurück und kuschelt sich an Dich. Süß flüstert sie Dir ins Ohr: "laß uns den alten Knacker die Treppen hinunter stoßen. Das merkt keiner." Du bist reich, Königin und Super-Model, die Reitbeteiligung ist unkündbar und der Spiegel sagt, dass Du die schönste Barbie im ganzen Land bist. So trittst Du vor die Ewigkeit, in die der olle Kaiser Wilhelm seinen Bart hängen läßt, als sei sie von deutschen Reichen oder kunstseidenen Märchen der Bravheit zu beeindrucken.

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Wunder der Natur, dass Kinder sich von so groben Farb- und Moralklopsen, Schwarz-Weiß-Fernsehen der Spannungsproduktion, in Welten der Phantasie entführen lassen. Und die Erinnerung im Verein mit der Sehnsucht nach einer Welt des Friedens und der Freiheit und nach - Liebe - macht aus der Bilderpampe wirkliche Märchen, über die ein japanischer Weiser und Narr ins Grübeln und Nichtwissen sinken kann. Und nur deshalb sind die Märchen der Brüder Grimm und Co, die Stories von Barbie und den drei Fragezeichen, Perry Rhodan und dem Doktor vom Immenhof so gerechtfertigt wie eine Skizze von Jean Paul oder eine Fantasie von Anne Sexton. 

Alzey, den 23.08.09 Klaus Wachowski

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